Seit einigen Jahren schon haben sich in der Business Class Türen an den Sitzen mehr oder weniger als neuer Branchen Standard etabliert, zumindest bei neuen Business Class Produkten sind Suiten inzwischen eher die Regel, als die Ausnahme. Eine dieser Ausnahmen ist allerdings die neue Business Class von Lufthansa und in der Allegris Kabine gibt es zwar bis zu acht Sitze. die eine vollständig verschlossene Suite bieten, aber diese sind quasi eine eigene Klasse innerhalb der Allegris Business Class von Lufthansa.
Bei den „normalen“ Business Class Sitzen hat Lufthansa auf Türen verzichtet und dies sehr bewusst, wie Dr. Björn Becker verriet, der als Program Lead Future Intercont Experience von Lufthansa, der für dieses Produkt verantwortlich Manager ist. Die Begründung, die man für die Entscheidung gegen die Türen an etwa 80% der neuen Business Class Sitze nennt, ist hierbei durchaus schlüssig, allerdings kann man sich durchaus die Frage stellen, ob die Passagiere dies auch langfristig genau so bewerten werden.
Die technische Begründung, warum Lufthansa sehr bewusst bei der neuen Business Class auf Türen verzichtet hat ist Platz. So nehme eine Tür bei einem Sitz und die dazu gehörende Mechanik etwa 4-5 Zentimeter Platz ein, die man an Sitzbreite entfernen müsste. Hierbei sind die neuen Allegris Sitze um etwa genau dieses Maß breiter als die alten Business Class Sitze und 5 Zentimeter sind bei einem Business Class Sitz nicht nur spürbar, sondern tatsächlich ein andere Welt.
Lufthansa führt hier auch als weiteres Argument an, dass man den faktischen Gewinn an Privatsphäre durch Türen in der Business Class für recht überschaubar hält, denn im Schnitt sind solche Türen und Wände etwa 1,20 bis 1,40 Meter hoch und man kann beim Vorbeilaufen, bzw. teilweise schon im Sitzen hierüber schauen.
Etwas anders sehe es bauartbedingt bei den Sitzen in der ersten Reihe der Business Class Kabine aus, welche grundsätzlich deutlich mehr Platz bieten. Daher haben man sich hier auch für Türen entschieden und zusätzlich, damit es auch einen spürbaren Effekt an Privatsphäre gibt, noch einen erhöhte Sichtschutz zugefügt ohne welchen der Sinn einer Tür in der Business Class Suite wohl eher Show gewesen wäre.
Ganz nebenbei verrät man aber auch, dass Türen in der Business Class und insbesondere auch die dazu gehörige Mechanik, wie sie z.B. in der Business Suite verbaut ist, mit etwa 60 Kilogramm pro Sitz ein nicht ganz unerhebliches Mehrgewicht mit sich gebracht hätte. Rechnet man dies auf die Anzahl der Business Class Sitze pro Flugzeug um, redet man hier über 1,5 bis 2 Tonnen Gewicht, die man durch das nicht Verbauen der Türen einsparen kann.
Da man solches eingespartes Gewicht sehr einfach auch in eingesparten Treibstoff umrechnen kann, kann man die Kosten für solche Türen sehr schnell errechnen und für Lufthansa ging diese Rechnung nicht auf.
Fast schon ein Treppenwitz ist hierbei allerdings, dass man in der Boeing 747-8 oder den SWISS Airbus A330-300 aufgrund der schweren First Class Suiten vergleichbare Mengen an Blei als Ballast im Heck installieren muss, um den Schwerpunkt zu halten. Eine schwerere Business Class Kabine hätte diesen Effekt aber noch verstärkt.
Werden die Kunden diese Entscheidung gegen Türen in der Business Class akzeptieren?
Nachdem es inzwischen in der Business Class mehr oder weniger zum Standard wird, dass man hier verschließbare Türen hat, stellt sich natürlich die Frage, ob es die Kunden bei Lufthansa akzeptieren werden, dass man keine Suiten in der Business Class anbietet. Lufthansa selbst zeigt sich hier sehr zuversichtlich und verweist auf das überwiegend positive Feedback der Kunden, die die neue Allegris Business Class schon geflogen sind.
Auch sieht man aus oben angeführten Gründen nicht den überwältigenden Nutzen von Türen in der Business Class, womit man rein auf die Fakten bezogen möglicherweise sogar sehr recht hat, aber ich könnte mir vorstellen, dass man hier den psychologischen Faktor unterschätzt.
Ich sehe es auch so, dass Türen in der Business Class oft doch weniger Mehrwert bieten als man denkt, da sie nicht selten einfach zu niedrig sind, um volle oder auch nur erhöhte Privatsphäre zu bieten. Die Passagiere, die hier vorbei laufen schauen dennoch in die Suite hinein und oftmals ist es sogar etwas komplizierter mit der Crew schnell in Kontakt zu treten, da man mich selbst zwar in der Suite gut sieht, mein leeres Glas auf dem Tisch aber volle Privatsphäre genießt und daher nicht aufgefüllt wird.
ABER gerade in der Bettposition nimmt man die Türen natürlich durch die veränderte Position des Kopfes anders war. Man ist hier zwar immer noch nicht wirklich „privat“, aber man bekommt weniger von der gesamten Umgebung mit, was beim Schlafen auch nicht unbedingt etwas schlechtes ist.
Hinzu kommt noch ein nicht zu unterschätzender Faktor, dass Suiten im Flugzeug mit Luxus gleichgesetzt werden. Bis vor wenigen Jahren waren Türen etwas, das man nur in der First Class kannte und nicht ganz zufällig spricht das Marketing bei solchen Suiten in der Business Class gerne von „First Class in der Business Class“. Bei den Passagieren kommt dies sehr gut an und auch teils schon über 10 Jahre alte Business Class Sitze, bekommen nur nach dem Installieren von Türen bessere Bewertungen als vorher.
Darum hat Lufthansa keine Suiten in der neuen Business Class gewählt | Frankfurtflyer Kommentar
Man bekommt in der Debatte um die neue Lufthansa Business Class schnell das Gefühl, dass Lufthansa hier einen Trend verschlafen hat, indem man nicht auf Türen in der Business Class setzt. Ob dies wirklich so ist, wird die Zukunft zeigen, denn man hat es sich offensichtlich doch sehr genau überlegt, was man hier macht und eine bewusste Entscheidung gegen Türen getroffen.
Ich bin sehr gespannt ob der Plan von Lufthansa aufgeht, man wird es sehen. Hierbei muss man es ja nun mit den neuen Allegris Sitzen schaffen, vergleichbare oder noch besser, höhere Preise am Markt durchzusetzen, als bei der Konkurrenz mit Suiten. Dafür müssen es die Passagiere bei Lufthansa aber auch wie vorgesehen akzeptieren, dass es eben bewusst keine Türen für alle Sitze gibt.
Also ich finde offene C-Kkonzepte deutlich bessser
Wenn ich an meine Flüge in C bei mehreren Fluggesellschaften denke, kann ich jetzt gefühlt nicht sagen, weniger Platz gehabt zu haben.
Ergänzung: ich meinte Flüge in C mit Türen.
Hallo Christoph,
sehr guter Artikel. Toll das du auf den ‚Treppenwitz‘ mit der Gewichteinsparung hinweist. War genau mein Gedanke und macht mich immer noch sprachlos. Ansonsten höre ich in Bezug auf Qualität nichts Gutes von Allegris gehört. Habe auch Videos gesehen, die ich nicht geglaubt hätte wenn es nicht gute Freunde von mir aufgenommen hätten…
Ob das Konzept überzeugt wird die Zukunft und das Verhalten der Passagiere zeigen, wobei ich mir vorstellen kann, dass viele Deutsche Firmen nach wie vor einfach Lufthansa vorziehen oder manch Passagier, der noch nie etwas anderes geflogen ist, dass als Non-Plus-Ultra empfindet.
Das Gewichtsthema (Sorry Christoph, jetzt muss ich dir das aller erste Mal wiedersprechen) ist einfach auch Blödsinn: Wenn man durch mehr Gewicht (zur mehr Luxus) mehr Kosten hat, kann man das auch durch einen höheren Preis komensieren;Ergo müsste LH mit einem geringeren Preis hier agieren…. werden sie aber nicht (müssen). Andere Airlines bieten Türen, gleiche Sitze, besseres Essen, mit einem geringeren Preis an, da kann jeder selbser entscheiden was er/sie bucht.
Und Ermirates hat auch keine Türen, dafür viel Bling Bling und eine Bar… jedoch nicht (immer) so teuer wie LH.
Klar ist das Produkt schon älter aber es gibt von LH Test im Vorfeld und jeder kann seine Meinung dazu äußern. Ich selbst durfte bei zwei Terminen für die neue First Class dabei sein und erkenne auch die Allegris First in einer der dort vorgestellten unterschiedlichen Varianten wieder. Deswegen immer wieder das Herziehen über LH am Kunden vorbei würde ich nicht so unterschreiben. Es wird sehr viel Meinung in Vorfeld auch vom Kunden der das Produkt nutzt eingeholt.
Das ist ein guter Punkt! LH macht sehr umfangreiche Kundenumfragen und auch Flugtests mit den Sitzen.
Lufthansa Kunden haben auch lange Jahre gesagt, dass sie keine geschlossenen Suiten wollen, auch nicht in der First Class, aber vor allen in der Pandemie könnte sich hier die Einstellung doch wieder geändert haben.
Und die Kommentare hier zeigen wie immer: Alles Geschmackssache.
Als Gelegenheitsflieger komme ich auch nur selten in den Genuss der BC. Und schlafen tue ich dann meistens, wenn sowieso alle schlafen (die Maschine also abgedunkelt ist). Da stört mich dann der Offene Gang wenig.
Da finde ich die Errungenschafft mit jeder direkten Gangzugang doch wichtiger/sinnvoller. Weil genau das hatte ich bei meinen letzten Flug. Extra einen Mitelplatz gebucht, wurde dann aber ins Upperdeck gesetzt mit Sitznachbarn der leider eine schwache Blase hatte.
Übrigens finde ich sowieso Lustig wie sich die Welt gewandelt hat. Jetzt zu Weihnachten kommt ja wieder Kevin Allein zu Haus. Schau mal wie da die FirstClass noch ausgesehen hat.
Ich gebe zu, ich brauche auch nicht immer Sitznachbarn, aber so abgeschottete Kabinen nehmen einen ja jegliche Chance mit Sitznachbarn (egal ob unbekannte oder sogar die Bessere Hälfte) zu kommunizieren.
Diese „Argumente“ klingen für mich eher nach dem Versuch einer nachträglichen Rechtfertigung als für Gedanken während der Entwicklung.
60kg pro Sitz für eine Tür? Wo kommt denn die Angabe her? Bei 60kg kriegt man schon eine durchschnittliche einbruchshemmende Hauseingangstür!
4-5cm Verlust in der Breite? Würde man den aktuellen Sitz von SQ 5cm schmaler machen wäre er immer noch überdurchschnittlich breit.
Wenn man die Trennwände so niedrig macht, dass man selbst im Sitzen drüberschauen kann relativiert sich natürlich die Tür. Aber selbst dann bietet sie doch noch ausreichend Mehrwert beim Schlafen.
Nein, LH hat hier einerseits den Trend verpennt. Andererseits agiert man hier wieder nach dem bekannten Muster „Mach das Produkt hinten absichtlich schlechter, dann wird das Produkt vorn augenscheinlich aufgewertet, ohne dass man es tatsächlich deutlich aufwerten muss.“
Ich bin hinsichtlich Suite/offen noch zwiegespalten. Eigentlich präferiere ich eine offene Kabine wie bei LH, um zu sehen, was im Flugzeug passiert und mir dadurch die Zeit zu vertreiben. Die Abschirmung durch die Suite (Q-Suite/Business Suite in der 787) war in der Nacht aber auch ein angenehmes Feature.
Türen hin oder her, als Familie mit 4 Personen ist die LH nun raus, es ist praktisch unmöglich zusammenzusitzen, im gesamten A359 gibt es exakt 2 Sitzpaare je C-Kabine, die annährend nebeneinander liegen.
Neulich nach BOS geflogen, alter 346 – es waren bestimmt 5 Familien in der C, alle sassen jeweils hintereinander 2 Mal 2 – wie soll das gehen in der neuen C?