Vom Drehkreuz zur Sackgasse: Warum Deutschland im Luftverkehr den Anschluss verliert

Der Luftverkehr in Deutschland kehrt nicht auf das Niveau vor der Covid-19-Krise zurück. Symbolbild: Nicole

Längst haben die meisten europäischen Länder beim Blick auf den Luftverkehr das Vor-COVID-19-Niveau wieder erreicht. Deutschland hinkt dieser Entwicklung hinterher. Nur wenige Länder schneiden im Europa-Vergleich noch schlechter ab. Der Grund liegt in der mangelnden Attraktivität des Standorts Deutschland.

Das Handelsblatt veröffentlichte gerade erst einen Überblick, wie stark sich der Luftverkehr in Europa nach der Covid19-Pandemie wieder erholt hat. Länder wie Griechenland, Spanien und Portugal bieten mittlerweile schon deutlich mehr Flüge an, als vor der großen Krise. Aber auch Staaten wie Großbritannien und die Niederlande sind kurz davor, wieder genauso viele Flüge wie 2019 anzubieten. In Deutschland hingegen finden immer noch 21% weniger Flüge statt als vor der Pandemie. Nur von Finnland, Schweden, Slowakei und Slowenien starten im Europa-Vergleich weniger Flüge.

Im Vergleich zu 2019 finden in Deutschland immer noch 121.000 Flüge weniger statt. Besonders deutlich wird die Bedeutungslosigkeit Deutschlands beim Blick auf die Umsteigepassagiere nach Asien. Stiegen 2010 noch 17% aller deutschen Passagiere nach Asien entweder in Frankfurt (FRA) oder München (MUC) um, so ist es derzeit nur noch jeder zehnte Passagier. Gleichzeitig stieg die Zahl der Passagiere, die im Mittleren Osten und der Türkei umsteigen auf 35% an. Noch drastischer sieht es bei Flügen nach Afrika aus. Dort hat sich der Marktanteil von Turkish Airlines, Emirates und co. fast verdreifacht. Eine Entwicklung, unter der besonders Lufthansa leidet.

Vom Drehkreuz zur Sackgasse: Warum Deutschland im Luftverkehr den Anschluss verliert | Der Staat langt kräftig zu

„Wesentliche Ursache für die zurückbleibende Entwicklung in Deutschland sind die seit 2020 stark gestiegenen staatlichen Standortkosten, die inzwischen deutlich über den an anderen europäischen Standorten liegen“, beschwert sich Jost Lammers, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) und gleichzeitig Chef am Flughafen München (MUC).

Die Lage wirkt tatsächlich dramatisch. So sind laut dem Bericht die staatlichen Abgaben für das Durchführen eines Fluges mit einem Airbus A320 in Deutschland sechs Mal so hoch wie in Spanien. Wobei an deutschen Flughäfen 4.200 Euro staatliche Abgaben anfallen, seien es in Spanien nur 600 Euro.

Diese Kosten müssen die Fluggesellschaften natürlich auf ihre Fluggäste umlegen. Beispielsweise beliefen sich in Düsseldorf die Steuern und Gebühren 2019 auf 33,38 Euro pro Flugticket. Im Jahr 2023 sind es dann schon 48,24 Euro gewesen und für Mai 2024 wird eine weitere Erhöhung auf 51,90 Euro erwartet.

Der Grund für die in den kommenden Wochen steigenden Kosten ist die von der Ampelregierung geplante Anhebung der Luftverkehrsabgabe. Der Staat wil die Einnahmen dieser Steuer um 50% auf 1,8 Milliarden Euro erhöhen. Doch nicht nur die Luftverkehrsabgabe treibt die Kosten nach oben. Auch weitere Zwangsabgaben treiben die Ticketpreise im europäischen Vergleich deutlich nach oben. So stiegen die An- und Abfluggebühren der Deutsche Flugsicherung (DFS) und die Kosten für die Sicherheitskontrollen.

Während Airline-Chefs schon lange Alarm schlagen, regen sich nun auch die ersten Politiker gegen den Standortnachteil Deutschlands im Luftverkehr. „Ich fordere die Bundesregierung umgehend auf, sich für eine Reduzierung der Standortkosten des Luftverkehrsstandorts Deutschland einzusetzen“, positioniert sich Anja Karliczek (CDU) gegenüber dem Handelsblatt.

Vom Drehkreuz zur Sackgasse: Warum Deutschland im Luftverkehr den Anschluss verliert | Frankfurtflyer Kommentar

Lufthansa-Chef Carsten Spohr ärgert sich, dass er es den Bauern nicht nachahmen kann und mit Flugzeugen das Brandenburger Tor blockieren kann. Auch wenn er das nicht kann, beschreibt seine Aussage dazu, den Frust in der Luftverkehrsbranche sehr deutlich. Diese deutlichen Töne vernehmen wir immer wieder auch von den Geschäftsführern des Billigfliegers Ryanair.

Ich denke da sehr gerne an meine Zeit in Düsseldorf zurück. Da war ich super schnell in den Niederlanden oder in Belgien und konnte von dort meine Reisen antreten. Ehrlicherweise ist es aber heute auch so, dass beispielsweise die niederländische Regierung auch hart an der Abschaffung des Luftverkehrs arbeitet. So freuen sich dann andere EU-Länder.

Quelle: Handelsblatt.com

16 Kommentare

  1. Ich glaube nicht, dass die Kosten allein maßgeblich für diese Quote sind. Diese Zahlen zeigen eher die beginnende Abkehr von der Lufthansa. Für europäische Kunden ist es jetzt schon deutlich einfacher, eine Alternative zu finden. Für uns hier bedeutet es halt leider oft noch ein zusätzliches Umsteigen – aber selbst das hat man ja mit dem neuen Punktesystem attraktiver gemacht.

  2. Also an den Standortkosten allein kann es eigentlich nicht liegen, sonst müsste London längst Provinzflughafen sein und jeder andere Airport auser INV auch. Aber der Flugverkehr brummt. Und man zahlt da ja sogar, wenn man Leute am Terminal absetzt, nicht nur die teuren Gebühren, zumindest wenn man nicht umsteigt.
    Aber andere Airlines sind halt einfach attraktiver. Ich persönlich bin ja kein Hub Captive und da steige ich auch zuletzt in MUC oder FRA um, lieber woanders. In Richtung Westen meist LHR, in Richtung Osten eher HEL oder DOH.

    • LH bietet ja selbst noch nicht das Vor Corona Angebot, va an regionalen Airports..….das ist mit mit einer der Gründe, wenn der größte Anbieter schwächest.
      Gleichzeitig sind die Abläufe an den großen Airports miserabel (SiKo, Baggage).
      Bei uns (Mannheim) wird inzwischen öfters ab Strassburg oder auch Luxemburg geflogen.

      Trotz aller Probleme hat zudem die Bahn – auch ins benachbarte Ausland – die Angebote hochgefahren.
      Ich glaube, dass zudem viele auch die Lust auf Fliegen verloren haben… 4,5 Std auf die Kanaren zu Premium Preisen und Ryanair Service passt eben nicht….

      Die genannten Kosten sind ja wirklich erschütterlich…krass…

    • Ihr habt hier schlichtweg die Lobbyarbeit der LH & Co übernommen. Zur Erinnerung: LH hatte 2023 eines ihrer besten Jahre. Bei den Flugraten die LH selbst für Kurzstrecken abruft, sind die Steuererhöhungen fast irrelevant. Bei EUR 300/400 für innereuropäischen Standardstrecken fallen 10,– Steuern nicht ins Gewicht. Dazu kommt, dass in Deutschland etliche Strecken mit der Bahn abgedeckt werden und von der LH nicht mehr geflogen werden, deswegen ist die DB ja auch Star Alliance Mitglied geworden.
      Also, aus der Sicht der Airlines und Kunden ist jede Steuer „ungut“, aber es ist lächerlich sie für den Zustand des Luftstandorts Deutschland verantwortlich zumachen. Siehe auch der Hinweis in einem anderen Kommentar auf London

      • Lobbyarbeit für Lufthansa… Volltreffer! faktisch ist das alles mehr als nachvollziehbar. Deutschland ist wirtschafts-technisch dem Ende entgegen gehend. jeden Tag meldet eine andere bekannte Firma Insolvenz an. ein Vorgang, der in Europa einmalig ist. aber statt die eigenen systematischen Fehler einzugestehen und abzustellen ist halt immer der andere Schuld. mit viel Glück könnte es bei einem Regierungswechsel anders werden, sollte der Karren überhaupt noch aus dem Dreck gezogen werden können.

  3. Mal wieder ein schönes Beispiel, wie man jemandem die alleinige Schuld zuschieben möchte. Natürlich sind hohe Kosten ein Faktor, aber nicht der alleinige.

    Ich wähle meine Flüge erstmal nicht nach dem Umsteigeort, sondern nach der Airline bzw. dem, was diese mir bietet. Und da kommt die große, in FRA und MUC beheimatete Airline eben nicht in die engere Auswahl. Hinzu kommt, dass man es oft nicht schafft, in FRA vernünftige Umsteigeprozesse anzubieten (MUC finde ich etwas besser, hat aber auch nachgelassen).

    Ein gravierender Punkt für die mangelnde Attraktivität des Umsteigestandorts Deutschland wird aber gern vergessen:
    Vor rund 30 Jahren wurde beschlossen, den BER in Schönefeld zu bauen. Mit einem 24h Betrieb in Sperenberg oder Jüterbog hätte man heute aber einen gewaltigen Standortvorteil. Dies wurde aber von den damaligen Entscheidungströgern abgelehnt, um die Stellung von FRA oder MUC nicht zu gefährden. Wer da damals Druck gemacht hat ist wohl nicht schwer zu erraten.

    • Der Flughafen SXF hatte 24 Stundenbetrieb. Aber wie das heute so ist, wird was neu gebaut, wird sofort protestiert. War bei der A10 auch so. Ausbau und jetzt soll Tempolimit. Dabei war vorher auch freigegeben und jetzt gibt es sogar eine Schallschutzwand. Aber so ist das in D.

      Und nein, Sperenberg oder Jüterbog wären furchtbar gewesen. BER ist schon, das andere wäre ja schon halb in Sachsen oder Polen. Sieht man ja in MUC wie nervig das ist.

  4. Betty hat vollkommen recht. Von Berlin aus muss ich sowieso einmal umsteigen. Das mache ich dann auch in LHR oder HEL. Es kommt auch noch dazu, dass die lH viel zu teuer ist.
    Fuer ein BC Ticket ueber FRA – Singapur nach Bandar Seri Begawan rief die LH den stolzen Preis von 7900 € auf. Geflogen bin ich auf der gleichen Strecke mit Singapur Airlines fuer 4000 €. So bleibt Deutschland Sackgasse u.a. bei den Umsteigern

  5. Ist das nicht immer so? Der Engpass muss erst deutlich sichtbar sein, bevor er angegangen wird. Idealerweise geschieht das natürlich proaktiv. Aber selbst, wenn ein kluger Kopf weit und richtig vorausdenkt, erfordert das eine Titanenarbeit an Überzeugung.

    Es gibt sehr viel mehr Unterstützung, das in den Brunnen gefallene Kind dort wieder herauszuholen, als das gleiche Kind daran zu hindern, überhaupt erst in den Brunnen zu fallen.

  6. wenn es günstiger ist von Haj nach Ams mit dem Zu zu fahren (incl. zusätzlicher Übernachtungskosten) und von dort über Fra die Langstrecke zu fliegen, kann ich auch gleich ab Fra mit anderer Airline direkt die Langstrecke nehmen!
    Vielleicht sollte LH einmal auch ab Deutschland vernünftige (für den Kunden vernünftige) Preise aufrufen, statt hochnäsig die deutschen Kunden zu melken! Zumal andere Airlines besseres Produkt anbieten!

    • 100% bei dir! Der Fremdmarkt hat reale Preise, NUR in Deutschland bleiben die Preise hoch.

      Liegt am begrenzten Angebot sagt LH, das widerspricht der Tatsache, dass ex-EU Ausland das Angebot plötzlich nicht mehr limitiert ist, denn dort müssen sie ihre „knappen“ Flüge für 500€ anbieten.

      Liegt aber auch daran, dass der (deutsche?) Mensch besonders faul ist und keinesfalls nach AMS, ZRH oder VIE reisen würde, um sagen wir mal für eine 4-köpfige Familie 1500€ zu sparen. Das wird durchgewunken „zuviel Aufwand“, „keine Zeit“, „egal für uns“ – das Geld sitz zu locker bei Deutschen, weil genug auf dem Konto ist und man jahrelang auch gewohnt war, vom Gehalt locker 30% in die Altersvorsorge stecken zu können und dann immer noch 30% für Urlaube übrig hatte. Dazu Rentner, die im Geld schwimmmen wegen Erbschaften und TOP Beamtenpensionisten.

  7. wenn es günstiger ist von Haj nach Ams mit dem Zu zu fahren (incl. zusätzlicher Übernachtungskosten) und von dort über Fra die Langstrecke zu fliegen, kann ich auch gleich ab Ams
    mit anderer Airline direkt die Langstrecke nehmen!
    Vielleicht sollte LH einmal auch ab Deutschland vernünftige (für den Kunden vernünftige) Preise aufrufen, statt hochnäsig die deutschen Kunden zu melken! Zumal andere Airlines besseres Produkt anbieten!

  8. 4200€ Deutschland versus 600€ Spanien (überall gleich?) klingnen natürlich krass

    Im Anschluss wird aber wieder deutlich das für den einzelnen Fluggast Beträge (s.u.) sind, die niemanden davon abhalten NICHT von/über DE zu fliegen:
    48,24 verus Mai 2024 51,90 Euro – die Differenz 3,66€ wird nicht genannt, weil dann die „Empörung“ für den Artikel zu klein wäre…. Genau darum geht’s aber!

    Die Mehrkosten in DE können sich die Airlines durch ihre Preisgestaltung leicht zurückholen, weil 3,66€ niemanden stören. Auch wird nicht um 3,66€ erhöht sondern um 25€, dazu werden irre Sitzplatzänderngsgebühren und sonstiges Zeugs verkauft.

    Der Präsident tut ja so als stände die deutsche Luffahrt am Rande des Ruins, genau das Gegenteil ist der Fall: Gewinne ohne Ende, Tarifabschlüssel mit 18% Gehalterhöhung – so schlimm können die Abgaben in Deutschland nicht sein!

  9. Ich kann mich hier nur den Vorrednern anschliessen. Da ich sowieso einmal umsteigen muss bei Intercon. mache ich das meistens nicht in DE. Frankfurt ist ein Moloch, LH Service ist unter Mittelmass, das hat nichts mit höheren Kosten zu tun.

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