Eurowings Premium BIZ Seat: Innovation mit Zukunft oder Totgeburt?

Foto: Eurowings

Die Business Class auf europäischen Kurz- und Mittelstrecken ist seit Jahren ein Reizthema. Statt großzügiger Sitze mit Liegefunktion gibt es bei den meisten Airlines nur Economy-Sitze mit freiem Mittelsitz – ein Angebot, das internationale Reisende oft irritiert. Umso spannender ist daher der Vorstoß von Eurowings: Die Lufthansa-Tochter testet erstmals einen echten Premium-Sitz auf Mittelstreckenflügen nach Dubai. Doch was als vielversprechende Innovation begann, droht am Ende am Preis zu scheitern.

Die Geschichte rund um die innereuropäische Business Class schien eigentlich schon auserzählt. Jeder Europäer, der gelegentlich einen Kurz- oder Mittelstreckenflug in der Business Class bucht, weiß in der Regel, was ihn erwartet. Überraschend ist das Erlebnis jedoch oft für Nordamerikaner und Asiaten, die nach einem Langstreckenflug noch einen Anschlussflug innerhalb Europas antreten. Statt flacher Betten oder großzügiger Recliner-Sitze, wie sie in den USA in der Domestic First Class üblich sind, gibt es bei Air France, British Airways und Lufthansa nur klassische Economy-Sitze – ohne besonderen Komfort. Einzig der freie Mittelsitz vermittelt Vielfliegern zumindest einen Hauch von Exklusivität.

Die Kritik daran war längst verstummt. Selbst Turkish Airlines konnte mit seinem besseren Produkt keine nennenswerten Marktanteile hinzugewinnen. Umso überraschender war es, als die Lufthansa Group das Thema Ende April 2025 noch einmal aufgriff. Konzernchef Carsten Spohr kündigte einen Test an: Auf längeren Mittelstrecken sollten künftig echte Business Class-Sitze eingebaut werden. Kein Lie-Flat, aber immerhin ein bequemer, stark verstellbarer Sessel.

Eurowings als Testplattform: Neue Sitze nach Dubai

Schon kurze Zeit später wurden erste Details bekannt. Eurowings sollte einen Airbus A320NEO mit vier neuen Sitzen des Herstellers Geven ausstatten. Als Teststrecke wurde ausgerechnet der rund siebenstündige Flug von Berlin (BER) nach Dubai (DXB) gewählt – ein Klassiker unter den Horror-Flügen. Der Start war für November 2025 geplant, die Vorbereitungszeit also extrem knapp.

Für Aufsehen sorgte die Präsentation des Projekts durch Eurowings-CEO Jens Bischof. Unter dem Motto „Neues Komfortniveau auf der Mittelstrecke“ stellte die Airline den Sitz vor – ein Modell, das eher an Premium Economy auf der Langstrecke erinnert. 99 Zentimeter Sitzabstand, Beinauflage und USB-Anschluss sind die Features, die Eurowings hervorhebt. Konsequent wird das Ganze auch nicht als Business Class, sondern als „Premium BIZ Seat“ vermarktet.

Eurowings BIZclass Airbus A320neo, Foto: Robert

Viel Potenzial – doch die Preisstrategie zerstört die Idee

Das Produkt hätte durchaus seine Berechtigung haben können – für Reisende, die keine Lust auf Umsteigen haben oder sich ein Emirates-Business-Class-Ticket nicht leisten möchten. Doch kurz nach dem Launch ruinierte Eurowings die Idee mit absurden Aufpreisen. Medien und Vielflieger-Szene reagierten mit Unverständnis.

Preis-Check: Erste Woche nach Einführung

Wir wollten es genauer wissen und haben uns die Preisgestaltung sowie die Nachfrage in zwei typischen Wochen nach dem Start angeschaut.
Die erste Analyse betrifft die letzte Novemberwoche 2025, direkt nach dem Start. Der günstigste BIZ-Tarif lag bei 329,99 Euro, der höchste bei 389,99 Euro – bereits viel für einen Flug in einem Economy-Sitz mit etwas Catering. Die Überraschung: Der Aufpreis für den neuen Sitz lag stets deutlich über dem Ticketpreis. Ergebnis: Von 56 angebotenen Sitzen wurde in dieser Woche nicht ein einziger verkauft.

Flugdatum Tarif (€) Sitz (€) Auslastung
24.11. 389,99 499,99 0,0%
25.11. 329,99 419,99 0,0%
26.11. 329,99 419,99 0,0%
27.11. 329,99 419,99 0,0%
28.11. 389,99 499,99 0,0%
29.11. 389,99 499,99 0,0%
30.11. 389,99 499,99 0,0%
Gesamt 0,0%

Preis-Check: Hochsaison im Dezember

Um eine Momentaufnahme auszuschließen, haben wir uns die Hochsaison-Woche vom 15. bis 21. Dezember 2025 angesehen. Hier lagen die BIZ-Ticketpreise zwischen 389,99 und 999,99 Euro, die klassischen Business Class-Sitze waren weitgehend ausgebucht. Doch auch hier explodierten die Aufschläge – bis zu 1.299,99 Euro zusätzlich. Der Oneway-Flug nach Dubai kostete damit mal eben 2.300 Euro. Immerhin fünf der 56 Sitze waren in dieser Woche verkauft – eine Auslastung von knapp 9 Prozent.

Flugdatum Tarif (€) Sitz (€) Auslastung
15.12. 389,99 499,99 0,0%
16.12. 389,99 499,99 12,5%
17.12. 509,99 659,99 0,0%
18.12. 599,99 779,99 0,0%
19.12. 659,99 859,99 0,0%
20.12. 999,99 1299,99 50,0%
21.12. 999,99 1299,99 0,0%
Gesamt 8,9%

Eine Reihe weniger muss kompensiert werden

Die Richtung ist damit klar: Es geht um maximale Erlöse, ganz im Lufthansa-Stil. Dafür musste Eurowings sogar Reihe 3 im Airbus A320NEO ausbauen, um die 99 Zentimeter Sitzabstand zu ermöglichen. Die Airline hätte mit einer moderaten Preisgestaltung die entfallenen Plätze kompensieren können. Doch durch die überzogenen Aufschläge wurde das Potenzial verspielt.

Eurowings Premium BIZ Seat: Innovation mit Zukunft oder Totgeburt? | Frankfurtflyer Kommentar

Eurowings hat die Zahlungsbereitschaft für einen Premium-Sitz nach Dubai überschätzt. Dubai zieht zwar Luxusreisende an, gleichzeitig aber auch viele preisbewusste Touristen. Wer das nötige Geld hat, investiert es in der Regel nicht in ein Low-Cost-Ticket.

Daher ist die Prognose klar: Der Test wird ein Einzelfall bleiben, und der einzige Airbus A320NEO dürfte bald anderen Verwendungszwecken zugeführt oder wieder umkonfiguriert werden. Damit erledigt sich auch die Hoffnung auf einen komfortableren Sitz auf der Mittelstrecke bei Austrian, Lufthansa und SWISS. Die Erwartungen der Airline-CEOs und die Zahlungsbereitschaft der Passagiere liegen schlicht zu weit auseinander.

Die Rechnung ist simpel: Eurowings müsste im Schnitt 3,1 Premium BIZ Seats pro Flug verkaufen, um die fehlenden Einnahmen auszugleichen. Von diesem Ziel ist die Airline jedoch noch weit entfernt.

Review: Wie viel Premium ist in der Eurowings BIZclass im Airbus A320neo von Dubai nach Berlin?

16 Kommentare

    • Gerne, Über den Sitzplan des jeweiligen Fluges. Ich habe Testbuchungen durchgeführt. Wenn ein Sitz gebucht ist, ist er auch auf dem Sitzplan nicht mehr verfügbar, da es sich ja hier technisch um eine Sitzplatzreservierungsgebühr handelt. Also nicht wie bei einem Tarif, den Du auch buchen kannst, ohne gleichzeitig einen festen Platz auszuwählen.

  1. Bei dem Aufpreis von vorne herein zum Scheitern verurteilt. So gewollt, damit auf vielfachen Kundenwunsch die europäische Business für viele Jahre unverändert bleibt ?

  2. Deiner Einschätzung stimme ich zu.

    Bei dem Aufpreis buche ich direkt Emirates, gar keine Frage.

    Die Dubai-Strecke ist seit 2 Jahren der Fetisch von Condor & EW.
    Ich vermute, dass es hier auch um PR geht.

    Eine Business Class a la Turkish, Air Canada oder Icelandair wäre schön, aber ich glaube nicht mehr daran. Mal sehen, ob das im Zuge der weiteren Premiumisierung der Kabinen (Erlöse) noch kommt.

    • Da kenne ich tatsächlich die Zahlen nicht. Und auch wenn andere gegenteiliges behaupte, sehe ich hier das Reiseveranstalter-Thema als treibend. Pauschalreise- oder Kreuzfahrtanbieter dürften dankbar sein, wenn sie keine Kontingente auf Emirates und co. buchen müssen.

      Letztes wird m.E. nicht mehr kommen, da jetzt klar ist, welche Zusatzerlöse die Gruppe dadurch erwartet.

  3. Das man den Markt erst einmal austestet ist normal. Das man aber so überzogene Preise verlangt überrascht mich dann doch. Da hat das neue Produkt gleich einen negativen Touch den man nur schwer wieder korrigieren kann. Sowas kann man doch heute durch seriöse Marktanalysen viel besser hinbekommen.

  4. Das heißt, es liegt offenbar genau Buchung vor für den 20.12…und das bestimmt ein YouTuber/Tester würd ich vermuten.…. krass, wie sehr man sich überschätzen kann und es zeigt, das EW/LHG keine Ahnung vom Markt hat. Zudem ist der Titel ja komplett irreführen für einen eher Premium Eco Sitz.

    • Man weiß schon, warum man das Produkt generell nicht „Business“ sondern „BIZ“ nennt. In dem Fall wurde dann ja auch noch der Zusatz „Premium“ dazu geschummelt. Ein ungeschulter Blick könnte daraus lesen, dass es ein besonders hochwertiger Business Class Sitz ist (Premium) und nicht, dass es sich eigentlich um einen Premium Economy Class Sitz handelt.

      Zur Ergänzung: Ich hatte in der Woche auch noch am 16.12. einen gebuchten Sitz gefunden.

  5. Der Sitz wird funktionieren können, so lange man PTP-Verbindungen zu guten Tageszeiten anbietet, die von den großen Carriern mit echter C (Lie-Flat & Full-Service) nur als zeitintensivere Umsteigeverbindung buchbar sind.

    Gerade auf den fünf-bis-sieben-Stunden-Flügen ist der Sitz sicher eine sehr angenehme Alternative zu den Sitzen in Y – getreu dem Motto schlimmer geht immer.
    Auf solchen kurzen Flügen stellt sich bei den Netzwerk-Carriern ja manchmal die Frage, ob man einen echten Lie-Flat in allen seinen Facetten ausreizen kann.
    Aber genau das macht die echte C für mich aus: Ich kann meinen Bedürfnissen entsprechend aufwendig oder nur kurz essen, ich kann schlafen, entspannen, arbeiten…

    Dagegen ist CurryWurstPommes-Service und Füße-etwas-Hochlegen absolut nicht konkurrenzfähig.

    Bei echter Konkurrenz sehe ich nicht, dass man für die neuen Rutschen diese Preise durchsetzen kann, bei zeitlichen Zwängen und zur Comfortsteigerung gegenüber der Y hingegen (leider) schon.

    Das Grundthema bei dieser Preisgestaltung sind aber wohl, die Rahmenvereinbarungen mit den Firmen. Bei Firmenkunden und auch im Rahmen der Joint Ventures mit United und AirCanada fürchte ich, ist die Sitzplatzreservierung eines der wenigen Mittel, die Preise frei zu gestalten.

    Als Endkunde möchte ich eigentlich sofort den echten Preis für den Flug in Klasse XY sehen. In dem Moment riechen diese „Sitzreservierungen“ immer nur nach Abzocke.

    • Ja. Es gibt aber Grenzen bei dem Kapitalismus.

      Es gibt einen Unterschied zwischen „ich drücke solange die Zitrone aus, bis sie tot ist“ und „ich biete ein Produkt und sehe den Kunden nicht als Melkkuh, sondern als meinen Auftraggeber“.

      Man kann versuchen für ein Standardprodukt wie fliegen eine immer höhere Rendite zu erwarten, in dem ich solche Sitze für ein Vermögen verkaufe(n will). Oder ich bin mit meinen 5% (oder was auch immer) zufrieden und mache das Produkt besser. Durch Umsatzwachstum durch Inflation und Co. bleibt trotzdem jedes Jahr mehr Gewinn über – nur die Rendite steigt nicht mehr.

      Manchmal denke ich, dass alle Unternehmen sich selbst wie ein Apple oder Tesla sehen – nach dem Motto 10% Rendite sind eigentlich noch zu wenig.

      Hier hätte Lufthansa eine Chance gehabt, diese Sitze als Alleinstellungsmerkmal zu nutzen. Wenn ich aber lese, dass lediglich eine Reihe im Flieger fehlt und man dann 600€ Aufpreis verlangt, frage ich mich, wie die Kalkulation ausgesehen hat.

      Aber das ist in Carstens Welt anscheinend nicht vorgesehen. Aber…das bekommt zur Zeit auch der CEO von Mercedes zu spüren. Nach Fest kommt ab.

  6. Diese Flüge zocken Kreuzfahrttouristen ab die über Aida oder was auch immer ein Zubringerpaket (extrem überteuert) kaufen und dann nach Dubai in solchen Fliegern gekarrt werden. Das machen die aber auch nicht lange mit und buchen dann doch lieber selbst, wie man es eh immer besser machen sollte.

  7. Danke für die Mühe mit der Prüfung der Buchungslage.
    Wie sieht es im Vergleich bei der Campingstuhl-Biz aus?

    Ich glaube, dass zu Hauptreisezeiten später auch der Aufpreis reichlich gezahlt wird.

    Für mich ist das bisherige Angebot das Ärgernis. Und jetzt noch zusätzlich die Mischung von biz und biz+.
    Aber LH macht es ja (wohl erfolgreich) vor mit biz, biz- long, biz-Fenster usw.

    Hier wäre mein Vorschlag, Campingstühle aus der biz raus und mehr Rutschen rein.
    Bei guten Reisezeiten finden sich Käufer auf Direktverbindungen (größer 4 Stunden), die auch sehr teure (dann ja Gesamt-) Preise zahlen.

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