Mein verrücktester Flug: Rückkehr aus dem Dschungel Venezuelas

Zahlreiche verrückte Flüge und verrückte Ereignisse habe ich auf meinen vielen Reisen erlebt. Venezuela würde da in einem Buch wohl ein eigenes Kapitel einnehmen. Und trotzdem hob sich damals ein Flug hervor, weil er meine Einstellung zu Flugreisen irgendwie komplett verändert hat. Seiner Zeit ging es von Ciudad Bolivar in den venezolanischen Nationalpark Canaima. Und irgendwie dann sogar wieder zurück.

Das war 2014 und auch damals waren Reisen nach Venezuela schon alles andere als ungefährlich. Ich hatte damals total naiv einen Iberia Langstreckenflug gebucht. Der Preis war günstig und Venezuela klang spannend. Naja, dann waren da die Nachrichten mit anhaltenden Protesten in Caracas (heute nicht mal mehr einen Zweizeiler für die Medien wert) und all das, was wir in den Recherchen über das Land erfuhren.

Doch statt den Flug zu canceln oder direkt von Caracas (CCS) weiter zu fliegen, hatten wir Glück. Wir knüpften Kontakt zu einem deutschen Auswanderer. Seine Posada (Unterkunft) in Ciudad Bolivar war für uns Ausgangspunkt für mehrere Kurztrips. Und zu diesen Kurztrips gehörte auch ein 3-tägiger Ausflug in den Nationalpark von Canaima, der für die „Angel Falls“, den mit fast einem Kilometer höchsten Wasserfall der Welt, bekannt ist.

Wegweiser zu den Angel Falls. Foto: Sebastian

Schon der Hinflug war alles andere als normal. Ein Fahrer brachte uns zum Flughafen von Ciudad Bolivar (CBL). Am Flughafen stellte ich fest, dass wir nur noch wenig venezolanisches Geld bei uns hatten. Lediglich Euros. Und die in einem Nationalpark zu wechseln, schien uns schwierig. Offizieller Geldwechsel machte damals (wie auch heute) sowieso keinen Sinn. Der Umrechnungskurs war mit 1 Euro = 8 Bolivar staatlich festgesetzt. Der Bolivar war nichts wert. Auf dem Schwarzmarkt gab es damals das 10-fache. Und so sprachen wir einen Mitarbeiter am Flughafen an und fragten nach einem Geldwechsel. Um unsere 50 Euro zu tauschen wurde damals quasi der komplette Flughafen inklusive aller Shops aktiviert.

Am Flughafen in Ciudad Bolivar. Foto: Sebastian

Speziell ging es dann weiter, als wir aus einem Warteraum zu unserem Flugzeug geführt wurden. Auf dem Rollfeld wartete eines von diesen super kleinen einmotorigen Flugzeugen. Also die Flugzeuge, die früher immer beteiligt waren, wenn irgendein Privatflugzeug abgestürzt war. Neben uns als Fluggästen war nur der Pilot und jede Menge Cargo an Board. Waren, die in der Versorgung des Nationalparks ihre Bestimmung finden sollten. Es war nicht komfortabel, aber der Ausblick von oben auf die Tafelberge entschädigte für alles und wir verbrachten drei beeindruckende Tage im Nationalpark von Canaima.

Spektakuläre Landschaften in Venezuela. Foto: Sebastian

Mein verrücktester Flug: Zwischen Cargo raus aus dem Nationalpark Venezuelas | Wo bleibt unser Rückflug?

Doch dann sollte es vom Flughafen Canaima (CAJ) wieder zurück nach Ciudad Bolivar gehen. Während wir die erste Nacht mitten im Dschungel in einer Hängematte verbrachten, schliefen wir die zweite Nacht in einem Resort. Dementsprechend entspannt kamen wir auch am Flugplatz Canaima an, der nur einige Minuten entfernt lag.

Ich habe ja gerade schon von „Flughafen“ auf „Flugplatz“ mit der Bezeichnung gewechselt und das passt auch deutlich besser. Im Grund bestand das Areal nur aus einer geteerten Landebahn, einer Funker-Hütte und einem Unterstand für die Fluggäste.

Und dort standen wir nun mit eher bescheidenen Spanisch-Kenntnissen, aber zum Glück vielen anderen Fluggästen aus unserer Reisegruppe, die den gleichen Ausflug gemacht hatte. Während wir warteten, landete zunächst eine Militärmaschine, von der wir vermuteten, dass sie einen Teil der Präsidentenfamilie beförderte.

Dann kam nach einiger Wartezeit endlich eine größere Maschine an. Nicht das Flugzeug, mit dem wir nach Canaima gereist waren, aber das hatten wir nicht zwingend erwartet. Mit allen anderen Fluggästen bestiegen wir die Maschine. Die letzten beiden Passagiere mussten leider stehen. Es waren nicht genug Sitzplätze frei.

In dem Moment wurde die Crew dann unruhig und glich die Passagierliste mit den anwesenden Fluggästen ab. Name für Name wurde aufgerufen. Bis dann alle Namen der Liste abgehakt waren. Nur unsere waren nicht dabei. Wir mussten wieder aussteigen.

Das war die Situation, wo uns dann mulmig wurde. Es war schon nachmittags. Wir wussten nicht, warum alle anderen fliegen durften, nur wir nicht. Daher versuchten wir uns irgendwie durchzuschlagen und an Informationen zu kommen. Irgendwann wurde dann klar, unser Flugzeug war wirklich ein anderes. Unser Pilot war noch weit entfernt von Canaima und transportierte Fracht von A nach B. Wobei B nicht unser Standort war.

Wieder nicht unsere Maschine. Foto: Sebastian

Die Zeit verging und der Nachmittag schritt fort. Am Flughafen wäre eine Landung in Dunkelheit nicht möglich gewesen. Selbst in Ciudad Bolivar war ich unsicher, ob man dort noch in Dunkelheit landen könnte. Und irgendwann, als wir schon fast die Hoffnung aufgegeben hatten, setzte dann doch noch eine kleine Maschine zur Landung an, die unserer vom Hinflug sehr ähnelte.

Co-Pilot auf dem Hinweg. Und auf dem Rückflug nach hinten verbannt. Foto: Sebastian

Es stieg dann auch unser bekannter Pilot aus. Während ich auf dem Hinflug auf dem Copi-Sitz Platz nehmen durfte, tauschten wir diesmal. Also nicht der Pilot und ich, sondern meine Reisebegleitung und ich. Mein Sitz war nun hinten.

Wir waren froh einfach wieder irgendwie zurück zu kommen. Doch das „irgendwie“ hatte ich mir anders vorgestellt. Denn plötzlich bemerkte wir, wie dem Piloten ein erstes Mal die Augen vor Müdigkeit zufielen. Dann ein zweites Mal und immer wieder, bis ihm sogar einmal der Kopf wegknickte.

Die nächsten Stunden habe ich mir vermutlich zu sehr einen Kopf gemacht, denn ein Sekundenschlaf ist in der Luft unter normalen Bedingungen vermutlich weniger gefährlich als auf der Autobahn. Irgendwann fing sich unser Pilot wieder. Und am Ende landeten wir doch sicher in Ciudad Bolivar, wo wir noch einige Zeit auf die Abholung durch unseren Fahrer warten mussten. Aber das war schon fast egal nach diesem Trip.

Mein verrücktester Flug: Zwischen Cargo raus aus dem Nationalpark Venezuelas | Frankfurtflyer Kommentar

Wir erlebten danach noch das ein oder andere verrückte, abwegige oder furchteinflößende Ereignis auf unseren Flügen in und aus Venezuela. Aber der Flug nach Canaima und ganz besonders der Flug wieder zurück, haben bei mir Spuren hinterlassen. Im Grunde bin ich dadurch auf Flügen lockerer geworden. Eine Verspätung? Nicht wichtig. Eine Diversion? Irgendwie komme ich schon an. Eine Boeing 737-MAX auf mein Flug geplant? Wird schon nichts passieren.

Ausflug zu den Tafelbergen Venezuelas. Foto: Sebastian

Der Ausflug in den Nationalpark von Canaima in Venezuela hat die Unsicherheit bei den Flügen total in den Schatten gestellt. Die Angel Falls waren beeindruckend. Schon der Hinweg über mehrere Stunden im Einbaum durch den Dschungel, einfach irre. Das am Lagerfeuer gegrillte Hühnchen, welches vorher den ganzen Tag im Bug des Schiffes mit Wasser durchspült und von der Sonne vorgewärmt wurde, verdammt lecker.. Dann die Übernachtung in der Hängematte im Dschungel und am nächsten Tag eine Begegnung mit einer Vogelspinne. Alles leider in einem Land, welches nicht so einfach sicher zu bereisen ist.

Was war eigentlich Euer verrücktester Flug und was ist auf diesem Flug passiert?

9 Kommentare

  1. Schöne Geschichte! Ich kann mir vorstellen, dass man etwas unruhig wird, wenn dem Piloten die Augen zufallen. Ich bin mal von Teheran nach Kermanschah geflogen, so 2009. Der Mehrabad Inlandsflughafen ist schon eine Sache für sich. Bordkarten teilweise von Hand ausgefüllt. Sicherheitskontrolle, einfach durchlaufen. Dann das Flugzeug, eine Fokker 100. Sitz kaputt, der Flugbegleiter dazu schulterzuckend: Embargo. Toiletten kaputt, Embargo. Notdürftig abgedichtetes Notausgangsfenster, ich habe mir weitere Fragen verkniffen. Dann begann das Kopfkino, was noch alles notdürftig geflickt sein könnte. Bei jedem Geräusch habe ich mich erschrocken. Nach der Landung war es nur unerheblich besser. Ich musste ja am Abend wieder zurück nach Teheran. Hat zum Glück alles geklappt und ich war echt froh später in der Nacht in der LH A346 zu sitzen. Ich hatte gerade den Sitz flach (also Rutsche) für ein entspanntes Schläfchen nach diesem langen und ereignisreichen Tag. Daraus wurde allerdings nichts, denn mit Überquerung der iranischen Grenze flogen die Kopftücher und der Alkohol floss in Strömen und die Atmosphäre war wie im Hofbräuhaus. Nachdem irgendwann alle Toiletten durch orale Hygieneunfälle verunreinigt waren, musste ich dann noch zwei Stunden einhalten, um mich dann in Frankfurt erleichtern zu können. Als ich später am Tag meine Frau in Berlin von Zug abholen wollte, bin ich dann fertig angezogen auf der flurbank mit Handy in der Hand eingeschlafen und erst aufgewacht als meine Frau anrief, wo ich denn bleibe. Nach ereignisreichen 1,5 Tagen ohne Schlaf war der Akku leer. Autofahren ging dann wieder, der Adrenalinschock bei Aufwachen war groß genug…

    • Oha, wenn man dann überlegt, wie selten wirklich etwas im Luftverkehr passiert, müsste man sich auf einem Flug von Frankfurt nach Mallorca eigentlich wie in Watte gepackt fühlen.

      Aber die lokalen Besonderheiten auf Flügen sind insgesamt ein spannendes Thema. Meine Frau erzählt immer noch von Flügen nach Pristina, auf denen die Galley auch schon mal mit der Lavatory verwechselt wurde. Auch für größere Geschäfte.

  2. Der heftigste Flug war einer meiner ersten in den 1990ern. Nach Antalya mit Holiday Airlines, pauschal gebucht. Das Flugzeug, eine Katastrophe, die Innenausstattung wie zusammengewürfelt, einfach alles machte einen komplett unsicheren Eindruck und ich habe drei Kreuze gemacht, als ich wieder am Boden war. Danach habe ich nie wieder eine Pauschalreise gebucht, weil ich schon wissen will, zu wem ich so ins Flugzeug steige und selbst entscheiden, ob ich das Risiko eingehe. Wer mit Holiday Airlines nichts anfangen kann: https://de.wikipedia.org/wiki/Holiday_Airlines

    Der zweite Flug war LH von TXL nach FRA. Wir wurden vom Blitz getroffen. Kurzzeitiger Systemausfall. Das Licht war wie in einem Alienfilm. Aber die Crew war super, vor allem unser Captain. Hat die Leute super beruhigt. Aber krass war es alle mal.

  3. Der Bericht hat Erinnerungen an unseren eigenen Flug nach Canaima im Jahre 1988 wachgerufen. Wir flogen von Caracas über Ciudad Bolivar nach Canaima mit einer, kaum zu glauben, Boeing 727 der Viasa.Der Pilot wollte uns einen Blick auf den Salto Angel Wasserfall bieten und tauchte durch die geschlossene Wolkendecke nach unten ab.Beim Blick aus dem Fenster hatte man den Eindruck, als könnte man die Felswand berühren. Leider konnte man den Wasserfall nicht sehen. Damit auch die auf der anderen Seite sitzenden Passagieren etwas davon haben sollten,flog er die Runde noch einmal in entgegengesetzter Richtung. Langsam hatten wir schon mächtig Angstschweißperlen auf der Stirn. Letzendlich brach er wegen der schlechten Sicht die Runde ab und landete sicher in Canaima.Die Landschaft mit den Tafelbergen dort ist mit das Beeindruckenste gewesen, was ich auf all meinen Reisen gesehen habe.

    • Beeindruckend, so etwas geht vermutlich auch nur in Venezuela.

      Aber bin da total bei Dir: Habe selten so über eine Landschaft gestaunt, wie dort.

  4. 1980 mit Freddie Lakers airline (Der ersten Billigfluglinie) von LHR nach LAX geflogen mit einer nagelneuen DC-10 auf ihrem Passagierjungfernflug. Damals fielen die DC-10s wie reife Zwetschgen vom Himmel. Maschine kam Wege „technischer Probleme“ schon mal mit Verspätung an, mit weiterer Verspätung wegen ebensolcher Probleme dann endlich abgehoben. Stürme über dem Atlantik, Ausweichmanöver weit nach Norden. Dann, irgendwo über der Wüste von Nevada spricht der Kapitän: „leider wurde der Spritverbrauch falsch berechnet, wir haben nicht mehr genug, um weder die 20min nach LA noch die 20min nach Las Vegas zu kommen, müssen notlanden“. Was wir dann auch taten, auf einem trockenen Salzsee. Stunden in der Hitze ohne Klimaanlage angeschnallt ausgeharrt bis in der Ferne über holprige Feldwege kommend, Tanklaster der Armee sichtbar wurden. Sie tankten uns an Ort und Stelle auf und – man glaubt es kaum – wir starteten wieder und flogen die Reststrecke nach LAX wo wir mit 12stündiger Verspätung ankamen. Unserer Abholung wurde in dieser Zeit 3x das Auto aus dem Halteverbot abgeschleppt, weil es die ganze Zeit hieß:“im Landeanflug“.

  5. Sehr spannend. Ich fände auch einen längeren Bericht zu deinem damaligen Venezuela- bzw. Jungleaufenthalt sehr interessant. Bzw. generell Reiseberichte die geographisch mehr „ab vom Schuss“ sind.

    • Danke. Freue mich über Dein Interesse. Zu der Reise habe ich tatsächlich so viele Erinnerungen, dass ich das sogar noch könnte. Vielleicht mache ich das ja mal.

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