Reisen nach Russland: Das sind meine Eindrücke

Blick auf den Stadtkern der tschuwaschischen Hauptstadt Tscheboksary. Foto: Sebastian

Die Ankündigung meiner Reise nach Russland hat mir viel Hass entgegen schlagen lassen. Aber es gab auch sehr viel interessiertes Feedback. Nun liegt unsere Russlandreise bereits hinter uns und wir haben viele Eindrücke mit nach Hause gebracht, aber auch einige Erfahrungen gesammelt. Was davon geblieben ist und vielleicht auch für Eure Reise nach Russland relevant sein könnte, will ich in diesem Beitrag zusammenfassen.

Reisen nach Russland: Das sind meine Eindrücke | Flug

Eine Reise nach Russland ist von Deutschland, Österreich und der Schweiz derzeit eigentlich nur sinnvoll per Flug möglich. Und auch dahingehend sind die Optionen stark eingeschränkt. Bei der Vorbereitung unserer Reise war das eine der größeren Hürden. Mit welcher Fluggesellschaft fliegen wir und wo legen wir den Zwischenstopp ein?

Der sicher unkomplizierteste Weg nach Russland führt derzeit über den Mittleren Osten. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Qatar und so weiter, kennen keine Sanktionen und fliegen daher weiter diverse Ziele in Russland an. Teilweise sogar mit den größten Flugzeugen, welche die Flotte zu bieten hat. So schickt Emirates auch den Airbus A380 nach Russland.

Middle East war uns in dem Fall aber mit zu hohem Aufwand verbunden. Aber es gibt auch einzelne europäische Fluggesellschaften, die noch nach Russland fliegen: Pegasus, Turkish Airlines und Air Serbia fallen mir da spontan ein.

In unserem Fall passte Turkish Airlines von den Rahmendaten am besten. Das Preisniveau lag allerdings auf dem eines günstigen Interkontinentalfluges.

Reisen nach Russland: Das sind meine Eindrücke | E-Visum

Russland hatte im Sommer 2023 die Einreise für Bürger aus 53 Ländern erleichtert. Dafür wurde eine Online-Plattform freigeschaltet, über die voll digital E-Visa gegen Gebühr beantragt werden können.

Diesen Prozess bin ich einige Tage vor der Einreise für meine Familie durchlaufen. Mir war klar, dass da einige Fragen auf mich zukommen, aber ich habe Stunden mit dem Prozess verbracht. Ein wesentlicher Zeitfresser war, dass für jede Person separat das Visum online beantragt werden musste. Einfach eine Liste mit Namen und Geburtsdaten von Kind und Kegel, das funktionierte nicht.

Das Ergebnis wenn der Schwiegervater Schiffbauingenieur ist. Foto: Sebastian

Außerdem wollte unser Gastgeber extrem viel von uns wissen. Dazu gehörten unsere Social Media Profile oder aber auch Verwandte, die wir in Russland haben (inklusive Adresse, Telefonnumer und co.). Und all das haben wir halt vier Mal angeben müssen.

Herausfordernd wurde es direkt am Anfang. Den Reisepass kann man abfotografieren und im Prozess hochladen. Unsere deutschen Reisepässe wurden jedoch nicht erkannt. Zum Glück war dann doch eine manuelle Angabe möglich.

Fast gescheitert wäre ich an der Bezahlung. Drei Mal konnte ich die Gebühr in AED, der Währung der Vereinigten Arabischen Emirate mit Visa- und Mastercard bezahlen. Beim zweiten Kind wurden alle drölf Kreditkarten abgelehnt. Erst am nächsten Tag habe ich die Zahlung dann final durchgekriegt. Zum Glück werden die Anträge vorher gespeichert und ich musste nicht alles von Neuem beginne.

Russland ermöglicht Einreise per Online-Visa – So kommt Ihr an das E-Visum

Reisen nach Russland: Das sind meine Eindrücke | Einreise und Ausreise

Als wir unsere deutschen Pässe bei der Immigration vorlegten, wurden wir erstmal einer zweistündigen Befragung unterzogen… Nein, quatsch. Die Einreise fühlte sich an, wie in jedem anderen Nicht-Schengen-Staat auch. Es hat mich sogar etwas an Bulgarien erinnert, wo die Grenzbeamten meist sehr freundlich sind und Kinder bevorzugt behandeln.

Wir haben tatsächlich nur wenige Minuten angestanden, bis wir an der Reihe waren. Es gab keine Befragung und wir mussten lediglich ein Dokument unterzeichnen. Alle relevanten Angaben lagen bereits aus unserem Online-Antrag vor, so dass wir nicht einmal den ausgedruckten Visa-Zettel benötigten. Der  war lediglich am Turkish Airlines Check-In-Schalter vorher gefragt.

Denke ich da an die unangenehme Live-Befragung bei USA-Reisen, war das ein sehr angenehmes Erlebnis. Dieses Erlebnis war auch bei der Ausreise nicht anders. Da mussten wir zwar einzeln an den Schalter für die Ausreise, wurden aber genauso schnell abgefertigt.

Klassisch russischer Name für ein Restaurantschiff: Roland. Foto: Sebastian

Reisen nach Russland: Das sind meine Eindrücke | Ausländer in Russland

Wir waren nun nicht in Moskau und auch nicht in Sankt Petersburg, aber unter Anderem in Kasan unterwegs. Kasan war 2018 Ausrichtungsort der Fußball-Weltmeisterschaft und habe die Stadt zu der Zeit erlebt. Von der Internationalität ist nicht geblieben. So haben wir bei keinem Restaurant-Besuch eine englischsprachige Speisekarte bekommen können.

Selbst in Kasan sind europäische Touristen wieder eine Rarität geworden. Foto: Sebastian

Es geht sogar soweit, dass man als Ausländer ein Stück weit wie ein Tier im Zoo beäugt wird. Immer aufgeschlossen und ein bisschen neugierig, aber schon etwas überraschend. So haben wir an einem Abend an einem Kiosk in Tscheboksary für die Kinder Eis kaufen wollen. Hinter der Theke standen zwei junge Frauen. Als die bemerkten, dass wir uns untereinander in einer anderen Sprache unterhielten, ging das Getuschel los. Meine Frau klärte dann auf, dass sie von dort stammt, aber mittlerweile in Deutschland lebt. Das hatte ein Stück weit Vorbildfunktion.

Ich fühlte mich etwas zurückerinnert, an eine Reise nach Malaysia. Im Umland von Kuala Lumpur habe ich damals Höhlen besucht, die religiös genutzt werden. Diese wurden augenscheinlich von Indern oder einer ethnisch nahen Personengruppe primär besucht. Ich musste damals ununterbrochen für Fotos posieren. So in etwa hab ich mich in Russland gefühlt, wenn klar wurde, dass wir Ausländer sind.

Reisen nach Russland: Das sind meine Eindrücke | Bezahlen in Russland

Das Bezahlen in Russland war tatsächlich einer meiner großen Fails auf der gesamten Reise. Natürlich war mir klar, dass ich mit meiner Amex dort absolut nichts ausrichten kann. Daher hatte ich bereits am Flughafen Istanbul Geld gewechselt. Doch nicht genug.

Ich hatte im Vorfeld zwei Hotels gebucht. Das war zum einen das DoubleTree by Hilton in Kasan und über Zenhotels das Boutique Hotel Manor House in Tscheboksary.

Bei der Buchung des DoubleTree über die Hilton Webseite musste ich direkt Deposit für die erste Nacht per Kreditkarte hinterlegen. Das tat ich natürlich mit meiner Hilton Honors Visa. Und so legte ich natürlich vor Ort auch genau diese Kreditkarte vor. Immerhin strahlten die Logos aller bekannten Kreditkarten inklusive Amex auf dem Display des Terminals. Aber Pustekuchen und so wanderten direkt mal 20.000 Rubel meines getauschten Gelds in die Barkasse des Hotels.

Kreditkartenterminal im DoubleTree Kazan. Foto: Sebastian

Ähnlich erging es mir auch im Manor House. Das hatte ich über Zenhotels gebucht. Eine Vorauszahlung war leider nicht möglich. Aber kein Problem, denn die Buchungsbestätigung klärte mich auf, dass Visa, Mastercard, Amex und sogar Diners Club vor Ort akzeptiert werden. Für mich war der Fall klar: Die schlauen Russen haben einen Weg gefunden, die Zahlungssanktionen zu umgehen. Auch hier war ich zu naiv: Nur einheimische Kreditkarten wurden akzeptiert und wir mussten einmal mehr in Bar zahlen.

Reisen nach Russland: Das sind meine Eindrücke | Politische Themen und Nachrichten

Wir haben in den wenigen Tagen viele Menschen getroffen und auch neue Freundschaften geschlossen, aber zu keinem Zeitpunkt standen politische Themen auf der Agenda unserer Gespräche. Das ist deutlich anders, als wenn man einen US-Amerikaner trifft, der sofort die komplette Welt- oder zumindest US-Politik in einem 30-Minuten-Gespräch abfrühstückt.

Ob politische Themen aus Zurückhaltung, Höflichkeit oder Sorge nicht angesprochen werden, fällt mir schwer zu bewerten. Mir machte es allerdings an keiner Stelle den Eindruck, als wäre Angst dabei ein Faktor gewesen.

Ein Abschalten von Nachrichten kann auch mal schön sein. Foto: Sebastian

Anders ist das in den Nachrichten. Da wird geframed, wie wir das aus der Tagesschau kennen. Und auch die Themenauswahl wird mit einer ähnlichen Intention festgelegt. Da war natürlich Sleepy Joe Biden der Aufmacher des Tages. Doch im Anschluss folgte direkt der Transgender-Soldat in der Bundeswehr.

Und so kann ich definitiv festhalten, dass die Russen immer noch eine sehr starke Obsession für das haben, was in Deutschland passiert.

Reisen nach Russland: Das sind meine Eindrücke | Internet

Digital Detox ist das Credo für jeden, der nach Russland reist. Freies Internet gibt es nicht für Ausländer. Wer mobil online sein möchte, braucht eine russische SIM-Karte. Und die gibt es scheinbar nur mit einem russischen Ausweisdokument.

Auch die öffentlichen Wifi-Netze sind nur schwer zugänglich, da es meist eine Legitimation per SMS benötigt. Selbst in internationalen Hotels, wie dem DoubleTree in Kasan konnten wir nur mit einer russischen Telefonnumer surfen. Das haben wir in dem Fall umgangen, da uns die freundliche Mitarbeiterin dafür kurzer Hand ihre Mobilnummer ausgeliehen hatte.

Und so erging es uns tatsächlich vielerorts.

Unser neuer Freund Peter hat sein Schiff zur Rock’n Roll- und Sauna-Zone umgebaut. Foto: Sebastian

Reisen nach Russland: Das sind meine Eindrücke | Frankfurtflyer Kommentar

Für uns war die Reise natürlich etwas anderes, als für einen typischen Touristen. Wir haben dort unsere Familie besucht und Freunde getroffen. Und wir haben auch viele neue Freundschaften geschlossen.

Und mit Kontakten vor Ort gehen viele Dinge leichter. Der Transport von A nach B, die Verfügbarkeit von Rubel, Internetzugang und viele Dinge konnte wir regeln, weil wir die Sprache gesprochen haben oder Bekannte uns ausgeholfen haben.

Ohne derartige Kontakte und Sprachkenntnisse würde ich mich derzeit auf Touristen-Hochburgen wie Moskau und Sankt Petersburg fokussieren. Aber auch dort würde ich meine Reise vorab gut planen.

Wir hatten zuletzt noch den Hinweis als Kommentar hier auf dem Blog, dass es eine Reisewarnung vom Auswärtigen Amt für Reisen nach Russland gibt. Das muss man sich vor Augen halten. Ich hatte allerdings zu keinem Zeitpunkt das Gefühl von Unsicherheit oder davon, jemandem ausgeliefert zu sein. Ganz im Gegenteil. Das Sicherheitsgefühl in Russland war extrem hoch und Familien gehen auch nachts in der Stadt noch mit ihren Kindern auf die Straße, ohne Angst haben zu müssen. So sorglos würde ich das in Bremen, Düsseldorf oder Frankfurt nicht tun.

Jeder Mensch hat natürlich seinen eigenen Wertekompass und daher kann ich es auch absolut nachvollziehen, wenn jemand sagt, dass er auf Grund der derzeitigen Situation nicht nach Russland reisen möchte. Für uns war es als Familienbesuch die richtige Entscheidung. So konnten die Großeltern ihre Enkel endlich wieder sehen.

20 Kommentare

  1. Der Autor disqualifiziert sich schon dadurch dass er die Tagesschau im Nebensatz einfach mal mit russischen Propaganda-TV auf eine Ebene stellt die einen Angriffskrieg in Europa rechtfertigen.

  2. Ach und natürlich spielt Angst keine Rolle, wenn man mit Fremden nicht über Politik redet. Ist ja nicht so, dass Regime Kritiker im Gulag landen oder auf Nimmerwiedersehen verschwinden.

    Wer Ironie findet, darf sie behalten.

  3. Wie schön die Welt doch hier von den Kommentatoren so schön einfach in „Gut und Böse“ eingeteilt wird. Es lebt sich einfach besser wenn man sich selbst die höhere Moral attestiert.
    Nundenn.

    • Naja, den moralischen Zeigefinger zu heben, statt sich konstruktiv-kritisch mit Argumenten auszutauschen, macht die Welt auch nicht einfacher oder schöner 😉

  4. Kann man machen, muss halt nur jede/r für sich selbst entscheiden.
    Sicherlich ist das Besuchen der Familie ein durchaus nachvollziehbares Argument. Dazu kommen natürlich noch Sprachkenntnisse und Kontakte. Wer als Individualtourist auf sich allein gestellt ist (und im Zweifelsfall nicht genug russsich kann), wird es schwerer haben. Da möchte ich nicht mal nach Moskau oder Petersburg. Die Aussicht wegen vermeintlicher Belanglosigkeiten irgendwo in Sibirien zu landen, ist durchaus gegeben und dann wird aus weißen Nächten in Petersburg ganz schnell ein Alptraum in weißer Landschaft.
    Das Bad im Fluss nach der russischen Sauna muss für die meisten sicher noch warten. Aber ich zum Beispiel warte da noch gerne.
    Was ich mich nach dem Bericht noch frage: Ist denn nicht der Familienbesuch in Deutschland eine Option? Dann würden Oma und Opa ihre Enkel doch auch „live“ sehen.

  5. Dass in Osteurope generell die wenigsten offen über Poliik reden ist normal und liegt meiner Meinung nach daran, dass die Zeit der Sovietunion nie wirklich aufgearbeitet wurde. In den Satelittensztaaten (Ungarn, Polen, etc.) also auch in den jetzt unabhängigen SSRs. Erst seit dem Überall auf die Ukraine bemerke ich bei meine Freunden in Litauen und Lettland eine starke Politisierung: plötzlich kann man auch auf Geschäftsessen über die Sovietzeit und die Russen sprechen. Vor 3 Jahren wurde hier schnell abgelenkt, wenn ich darüber sprechen wollte (weil ich als West-Deutscher klar zur Nazivergangenheit und deren Verbrechen stehe und das immer wieder auch im Aualand klarstellen will!)

    Russen kenne ich nur in Deutschland lebende und die sind ausnahmslos die größten Fans des Diktators. Als ich 2014 einer Ex-Kollegin aus Russland per WA-Chat sagte, dass sie akzpetieren müsse, dass die Sovietunion zu Ende wäre, war sie beleidigt….

  6. Es gibt diverse eSIM Anbieter die in Russland funktionieren. Versteh das Problem nicht ins Internet zu kommen. Ist analog wie China dort war es auch ohne Probleme möglich.
    Über politik reden die russen nie öffentlich. Es wird im engeren Kreis besprochen. Ist eine Angewohnheit aus Sowjet Zeiten 😉
    Risiko für irgendwas eingebuchtet zu werden gibt es in diversen Staaten. Es gibt diverse Touristen auch in Nordkorea und dabei meine ich jetzt nicht die Fahrt mit der Seilbahn von Südkorea Seite 😉
    Die Grenzen nach Russland sind offen. Wer aus welchen Gründen auch immer hin will, kann es machen. Kulturell hat das Land einiges zu bieten und es ist immer eine Reise wert. Restrisiko bleibt.

  7. Eine Schande so eine Reise zu unternehmen. Eine Schande das zu veröffentlichen.
    Schade, dass man Euch die Einreise in Deutschland wieder gestattet hat.

    • Wenn du so viel Schande empfindest, könntest du ein Artikel mit der Überschrift einfach nicht lesen. Eine Schande so viel unnötige Rechenleistung für die Bearbeitung ihres Kommentars zu verschwenden 😉

  8. Familie zu besuchen ist ein Grund den ich sehr gut nachvollziehen kann. Ansonsten kann ich jedem nur von einer Reise nach Russland, Iran oder Nordkorea abraten. Die suchen mittlerweile aktiv westliche Touristen um sie als Geiseln zu nehmen um sie später u.a. gegen russische Mörder auszutauschen. Das Risiko da völlig unschuldig aus politischen Gründen im Gulag zu landen kann man nicht überschätzen.
    Dass das dem Autor nicht passiert ist, ist sicher einerseits auch Glück, anderseits werden die familiären Verbindungen da sicher auch helfen und zu guter letzt betreibt der Autor (auch hier) russische Propaganda (siehe die komplett weltfremde Gleichstellung der russischen Staatspropaganda mit der freien deutschen Presse oder der dämliche Kommentar zu Bremen, Düsseldorf und Frankfurt). Solche nützlichen Leute braucht der Kreml und wird sie sicher nicht so schnell wegsperren.

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