Airlines sollten jetzt Überkapazitäten anbieten

In den letzten drei Monaten befand sich die Luftfahrt in einer noch nie dagewesenen Situation, denn ihr Geschäft ist praktisch weltweit zum Erliegen gekommen. Teilweise war die Nachfrage nach Flügen unter einem Prozent, im vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Entsprechend haben Airlines auch die Flugpläne zusammengekürzt oder den Betrieb fast komplett eingestellt. Das was noch angeboten wurde, war meist mehr als ausreichend und es sind regelmäßig Flüge mit nur einer Handvoll Passagiere gestartet.

Inzwischen werden besonders in Europa, aber auch in der ganzen Welt die Reiserestriktionen gelockert und Airlines fangen entsprechend wieder an, den Flugbetrieb hochzufahren. Allerdings geht dieses Hochfahren stufenweise und recht langsam, immer nach der Annahme, dass man weiterhin recht wenig Sitze verkaufen wird.

Genau hier scheint sich ein Fehler in der Annahme eingeschlichen zu haben, denn die Nachfrage nach Passagierflügen, besonders in Europa und Nordamerika ist in den letzten Wochen deutlich schneller gestiegen als gedacht, was zu hohen Flugpreisen und besonders auch zu komplett ausgebuchten Flüge geführt hat.

Während letzteres für die Airlines ohne Zweifel gut ist, führt es bei den Passagieren nicht unbedingt zu Vertrauen und viel wichtiger, einige Passagiere buchen keine Flüge, denn sie sind schlicht nicht mehr verfügbar.

Alle meine Flüge in den letzten zwei Wichen innerhalb Europas waren entweder sehr gut gebucht oder sogar bis auf den letzten Platz besetzt. Einige der Flüge waren teilweise schon zwei Tage vorher komplett ausgebucht und nicht mehr zu buchen. Dies bringt mich zu der Aussage, dass Airlines nun mutig sein müssen und auch Überkapazitäten in den Markt werfen sollten. Denn durch das zusätzliche Angebot kann man durchaus auch die Nachfrage stimulieren.

Nachfragevorhersagen sind unzuverlässig

Ein großes Problem bei jeder Airline ist, dass die Vorhersagen über die Passagiererwartungen nicht mehr zutreffend sind. Hierbei ist dies erst einmal nicht sonderlich überraschend, denn eine Situation wie die aktuelle gab es noch nie und entsprechend kann man beim Erstellen von Flugplänen auf keine alten Erfahrungswerte zurückgreifen.

Airlines müssen viel mehr schätzen, wie viele Passagiere nun in den kommenden Tagen und Wochen fliegen wollen und hierbei hat man sich in Anbetracht der Auslastungen der Flugzeuge anscheinend verschätzt. Auch wenn volle Flugzeuge für Airlines natürlich gut sind, ging man noch vor zwei Wochen bei Lufthansa davon aus, dass man eine durchschnittliche Auslastung von 60 Prozent haben wird. Die Realität sieht deutlich besser aus und die Auslastungen sind höher.

Die Gründe hierfür sind relativ einfach, denn Passagiere haben ihr Buchungsverhalten nach der Corona Pause deutlich verändert. So haben im Mai 2019 etwa die Hälfte aller Passagiere ihre Tickets mindestens drei Wochen im Voraus gebucht, was den Airlines viel Planungssicherheit gab. Im Mai diesen Jahres war es noch nicht einmal jeder Dritte.

Dafür buchen die Passagiere nun deutlich kurzfristiger und während letztes Jahr nur 18 Prozent ihr Ticket weniger als drei Tage vor dem Abflug gebucht haben, sind es nun über 42%.

Da Airlines mit diesen krassen Verschiebungen wohl nicht gerechnet haben, wurden wohl auch die Flugplanungen zu konservativ berechnet.

Mangelndes Angebot hält Geschäftsleute von Buchungen ab

Ein weiteres Problem, welches die Airlines aktuell haben ist, dass es für einige klassische Geschäftsreisen nicht genügend Verbindungen gibt. So gibt es auf den Business Paradestrecken innerhalb Deutschlands, wie von Frankfurt nach München, Berlin und Hamburg oder von München nach Hamburg, Berlin und Düsseldorf deutlich weniger Flüge als vor der Krise.

Während man zwischen Frankfurt und Berlin bis zu 28 mal pro Tag vor der Krise fliegen konnte und die Lufthansa hier fast im 30 Minuten Takt fliegt. Aktuell gibt es noch genau drei Flüge pro Tag und der Klassiker mit morgens hoch fliegen und abends zurück ist nicht mehr machbar.

So gibt es hier auch oft die Kombination von Geschäftsreisenden mit Hinflug und dann mit der Bahn zurück, was durchaus Zeit kostet und dann komplett von der Buchung abhält. Denn Nachfrage hat auch etwas mit Angebot zu tun und wenn ein Produkt nicht angeboten wird, kann es auch nicht gekauft werden.

Aber ein Kommentar das mir wirklich in Gedächtnis geblieben ist kommt von einer Münchner Vielfliegerin, welche sagte:

Da will man auf einen früheren Flug umbuchen und kann nicht, weil der Mittagsflug schon voll ist. Dann soll man auch noch sechs Stunden am Gate sitzen? Hierfür kann man keine 900 Euro mehr verlangen!

Mangelnde Flexibilität durch zu wenig Frequenzen sorgen dafür, dass viele Business Traveller nicht buchen und das obwohl die aktuelle Lage auf vielen Strecken ohne Zweifel zusätzliche Flüge rechtfertigen würde.

Dass Airlines nicht mit dem enormen Ansturm gerechnet haben, zeigte auch klar mein erster Loungebesuch in Frankfurt nach der Wiedereröffnung. Hier kam es zu chaotischen Szenen, wie langen Schlangen vor dem Eingang oder einer Lounge, in welcher es stellenweise keine Sitzplätze mehr gab und die den Eindruck machte, als hätte es Corona nie gegeben.

Natürlich war dies kein Dauerzustand und auch wohl nur in manchen Peak Zeiten so, aber im Gespräch mit den Damen in der Lounge habe ich schnell erfahren, dass man nicht mit einem derartigen Ansturm gerechnet hat. Die Tatsache dass aufgrund der niedrigen Frequenzen auch mehrstündige Umsteigezeiten an der Tagesordnung sind, belasten die Kapazität der Lounge umso mehr.

Auch die Lounges sind damit vielerorts überraschenderweise an ihrer Kapazitätsgrenze.

Airlines sollten nun Überkapazitäten anbieten

Es ist ein zweischneidiges Schwert, denn Überkapazitäten drücken die Preise und leere Flugzeuge verdienen sicher kein Geld und beides ist etwas, was die gebeutelten Fluglinien nun sehr schmerzen würde. Aber da der Bedarf fast unmöglich abzuschätzen ist, ist es auch fast unmöglich abzuschätzen, wie viele Überkapazitäten man bei einer deutlichen Erhöhung des Angebots in den Markt werfen würde.

Das Abwarten wie viele Buchungen eingehen und dann möglicherweise den Flugplan noch einmal auf dieser Basis auszubauen halte ich für eine fatale Politik. Buchungen werden zu kurzfristig eingehen, um hier auf die reale Nachfrage reagieren zu können, denn aufgrund des fehlenden Angebotes kommt es teilweise gar nicht zu Buchungen.

Gerade in der aktuellen Phase, in welcher Airlines auch wieder viel Vertrauen aufbauen müssen und hierzu zählt auch die Verlässlichkeit und ein stabiles Streckennetz, wäre ein deutlich ausgeweiteter Flugplan sehr hilfreich und dies schreibe ich nicht nur, da ich hiervon massiv profitieren würde.

Airlines wollen Überkapazitäten unbedingt vermeiden

Für Airlines ist es nun ein Drahtseilakt, denn man möchte Überkapazitäten unbedingt vermeiden. Wie oben schon geschrieben, würde dies unnötig die Preise drücken und leere Flüge kosten unnötig Geld, welches aktuell auch einfach nicht vorhanden ist, zumal es wenig Konkurrenz gibt.

Auch liegt die massiv steigende Nachfrage vor allem auf den Kurzstrecken, was klar an den immer noch existenten Reisebeschränkungen bei vielen Langstreckendestinationen liegt. So haben sich in den USA die Passagierzahlen in den letzten Wochen zwar fast um 500% gesteigert, aber diese Passagiere sind vor allem auf Inlandsflügen innerhalb der USA gereist und nicht weiter auf die Langstrecke umgestiegen.

In Europa dürfte dies ähnlich aussehen, denn hier stellt man auf Flügen innerhalb Deutschlands oder Europas eine enorme Steigerung der Nachfrage fest, aber auf der Langstrecke ist sowohl das Angebot, als auch die Nachfrage noch dünn.

Einer der Hauptgründe warum Airlines innerhalb Europas so hohe Frequenzen anbieten, sind die vielen Transitpassagiere, welche auf die deutlich rentablere Langstrecken umsteigen und eine angenehme und schnelle Verbindung suchen. Dies bedeutet zwar nicht, dass Airlines wie Lufthansa nicht auch mit vollen Kurzstreckenflugzeugen kein Geld verdienen würden, es ist aber deutlich schwerer als mit Langstrecken Anschlüssen.

Airlines sollten jetzt Überkapazitäten anbieten | Frankfurtflyer Kommentar

Wir befinden uns aktuell in einer noch nie dagewesenen Situation und entsprechend kann man hier nicht mittels Erfahrungswerten planen. Airlines schätzen welche Kapazitäten sie wann wieder brauchen werden und wie es scheint hat man sich hier verschätzt, denn die Nachfrage ist besser als erwartet.

Was erst einmal ein sehr gutes Zeichen ist, sorgt in der Praxis natürlich auch für einige Probleme und verlangt nun von den Airlines Nachbesserungen. Der Flugplan muss wohl doch schneller hochgefahren und das Angebot ausgeweitet werden.

Hier würde ich mir nun ein wenig Mut von den Airlines wünschen, dass sie auch bereit sind, Überkapazitäten in den Markt zu schmeißen, um zum Einen ein gewohntes stabiles reisen wieder möglich zu machen und zum Anderen auch in der Hoffnung, dass dieses erhöhte Angebot als Signal dienen kann, das die Branche wieder belebt wird.

Spannend bleibt es auf jeden Fall und ich bin sehr gespannt, wie sich die Luftfahrt beim Hochfahren nun entwickeln wird. Die hohe Nachfrage in den letzten Tagen stimmt mich auf jeden Fall hoffnungsvoll.

4 Kommentare

  1. Hi Christoph,
    ich gebe dir völlig Recht. Am Sonntag fliege ich von Fra nach Txl und es gab 3! Flüge zur Auswahl, wo meiner laut der Seatmap auch schon 1 Woche vorher fast komplett voll war und es fast nur noch Mittelsitze gab. Wie viele Lounges haben denn schon wieder geöffnet und hat man die „normalen“ Zugangsregeln?

    • Kann ich auch nur bestätigen. Zumindest unter der Woche reichen 3 Flüge TXL-FRA am Tag nicht mehr. Am WE war es etwas entspannter, da es eben kaum Umsteiger gibt.

      Ansonsten wird es halt da Nachfrage geben, wo man wieder hin darf. Ist ja toll, dass alle Airlines wieder in die USA fliegen, nur bringt mir das nichts, solange ich nicht einreisen darf. Da verschiebt sich halt die Nachfrage auch.

  2. Ist halt die Sache mit der vertrackten Ersatzteillage in den Vertragswerkstätten für magischen Bedarf. Die Glaskugeln werden und werden einfach nicht repariert.

    Aber ich denke, so große Sorgen muss man sich nicht machen. Jetzt liegen ja ganz ohne Glaskugel brauchbare Daten vor und die Fluggesellschaften werden schnell reagieren. Die aktuelle Phase der Ungewissheit ist natürlich für alle blöd, Passagiere *und* Fluggesellschaften.

  3. Nicht nur die Airlines auch die Flughäfen sind vom „Ansturm“ wohl überrascht. Bin gestern Mittag in FRA umgestiegen und es war eine Katastrophe. Es wird im Terminal A nur eine Lufthansa Lounge betrieben…die Schlange vor dem Counter war 30m lang. Das selbe Bild vor dem wenigen geöffneten Bäckern und Takeaway Restaurants. Überall mindestens eine Schlange von 10 Metern während andere Restaurants einfach noch geschlossen sind. Ist mir irgendwie unverständlich wie man sich das Geschäft entgehen lassen kann. Man kann ja über verkürzte Öffnungszeiten nachdenken, wo gerade zwischen 9:00-14:00 Uhr wieder ein wachsendes Passagieraufkommen ist.

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