Ask the Flight Attendant ✈ Und nun?

Ich reise gerne, oft und viel, nutze jede Gelegenheit dafür und manchmal geht es mehr um den Weg, als das Ziel: Fliegen! Ich liebe es zu fliegen und das verbindet uns alle hier. Und wenn ich nicht gerade Urlaub mache, fliege ich auch. Denn diese Leidenschaft ist mein Beruf und ich kenne dadurch auch den Blick von der anderen Seite. Diese Sicht möchte ich an dieser Stelle gerne mit Euch teilen. Heutiges Thema: Die Krise

Corona und die anderen Krisen

Stillstand. Zumindest so gut wie. Wenn eine Airline in diesen Tagen überhaupt noch abhebt, hat es schon Seltenheitswert. Urlauber, Vielflieger, Luftfahrtenthusiasten und auch wir Crews bleiben erstmal am Boden. Wir müssen uns jetzt alle in Geduld üben, nicht nur die Fliegerei betreffend. Die große Frage, die wir uns stellen, ist die nach der Dauer. Krisen hatten wir schon viele und sie haben immer Veränderungen mit sich gebracht. Der Golfkrieg in den 90ern, der 11.September, SARS, die Wirtschaftskrise, der Eyjafjallajokull und jetzt Corona.

Zu Beginn sind die Fragen immer identisch. Wie lange dauert es und wie geht es danach weiter? Das Ende der Krisen war zu deren Beginn immer nur schwer absehbar. Bis es dann wieder zu einem Normalzustand kam, dauerte es mitunter einige Jahre. Ausnahme war der Vulkanausbruch des Eyjafjallajokull. Ein ganzes Jahrzehnt ist das bereits her und damals ging tagelang in weiten Teilen Europas nichts mehr. Nach etwa einer Woche Stillstand durften Flugzeuge wieder abheben, trotzdem war der wirtschaftliche Schaden enorm. In dem Fall konnte man zwar ahnen, dass die Situation wohl nicht ewig dauern wird, richtig abschätzen konnte es zunächst aber niemand.

Ich begegnete in meiner Laufbahn einer Kollegin, die in den frühen Neunzigerjahren angefangen hat als Flugbegleiterin zu arbeiten. Der Golfkrieg hatte damals massive Auswirkungen auf die Wirtschaft weltweit, die Airlines hatten dies natürlich zu spüren bekommen. Sie hatte zu der Zeit immer mit einer plötzlichen Kündigung gerechnet. Dass sie jahrelang keinen Aufstieg bei der Seniorität hatte, war ihre kleinste Sorge. Wobei sie sich nach mehreren Jahren Betriebszugehörigkeit schon auch mal gewünscht hatte, in der Business Class zu arbeiten. Ende der Neunziger ging es dann aber wieder richtig los mit Neueinstellungen. Das Warten hatte sich gelohnt – sie wurde sogar Chefstewardess und trainiert heute Berufsanfänger.

Der nächste Schlag kam dann im neuen Jahrzehnt. Die Anschläge in den USA veränderten 2001 die Welt und führten ebenfalls zu einer Krise bei den Fluggesellschaften. Strengere Sicherheitskontrollen und Einschränkungen sind bis heute geblieben. Aber die Luftfahrt hat sich genauso, wie auch nach dem SARS-Virus und der Weltfinanzkrise 2008 auch relativ schnell wieder erholt. Doch diesmal wird es anders. Bei Corona ist bereits klar, dass die Folgen viel weitreichender sein werden. Die Welle an Entlassungen hat in der Branche schon begonnen, zahlreiche Pleiten sind nicht mehr aufzuhalten.

Wie geht es weiter?

Wahrscheinlich werden in Europa eine IAG mit British Airways & Iberia, die Lufthansa Group und Air France-KLM überleben. Aber was ist mit den anderen? Schaffen es die Chartergesellschaften, weil Urlauber schnell eine ausreichende Nachfrage bilden? Oder sind es die Billigflieger mit ihren schlanken Strukturen? Während Geschäftsreisende wohl zunächst vorsichtig sein müssen, weil ihre Firmen auch von der Krise mitgenommen wurden, wird es sicher zahlreiche Verschiebungen geben. Wird die Business Class in der Zukunft kleiner werden? Ist Corona der Tod der Vierstrahler? Offensichtlich sind wir noch am Anfang dieser Krise und es gab mit Flybe bereits die erste Pleite, alleine 7300 Kündigungen bei Norwegian und die KLM schickt deswegen den Jumbo noch im laufenden Monat in Rente.

Wenn es denn langsam wieder losgeht – machen wir uns nichts vor – frühestens im Mai oder Juni heben dann sicher keine vollbesetzten B747 oder A380 ab. Es wird dauern und der Preis bis dahin wird hoch sein. Hilft man sich untereinander? Entstehen neue Bündnisse? Der Markt wird sich wohl oder übel bereinigen und die Tickets könnten wieder an Wert gewinnen. Und was ist mit uns?

Ich muss in diesen Tagen auch an die LTU-Kollegin denken, die mir mal begegnet ist. Ganze 18 Jahre lang hat sie dort in Vollzeit gearbeitet und mit dem Folgevertrag bei Air Berlin ein weiteres Ende mitmachen müssen. Oder der Pilot, der für die damals kleine Regionalfluggesellschaft Eurowings zwei Mal umgezogen ist, um dann zu erfahren, dass es Eurowings nicht mehr in der Form geben wird. Ich selbst hatte mein erstes Glück vor 15 Jahren bei Austrian Airlines gesucht und war tief zerstört, dass es nicht geklappt hat. Die Zeichen bei der österreichischen Gesellschaft standen damals so sehr auf Wachstum. Meine Mitstreiter, die es damals bei der AUA geschafft haben, durften noch von Sydney und Melbourne als Destinationen träumen. Letztendlich wurden ihre Verträge nach einem knappen Jahr auf der Kurzstrecke nicht verlängert.

(K)ein Ende in Sicht

Die Fliegerei ist unberechenbar. Wir sind sofort betroffen, wenn ein Markt schwächelt und die Zahlen sinken direkt, wenn nur der Hauch einer Krise im Anmarsch ist. Ich habe schon auf Flügen gearbeitet, die zwar zu 100% ausgelastet waren und gleichzeitig den Controllern schlaflose Nächte bereitet haben, weil sie kein Geld verdienten. Ein Netzplaner meinte mal auf einer bestimmten Langstrecke mit hoher Auslastung am liebsten noch 50 weitere vollzahlende Passagiere in den Gepäckfächern befördern zu wollen, um annähernd kostendeckend zu arbeiten. Die Gründe trotzdem zu fliegen sind vielfältig. Entweder will man der Konkurrenz nicht den ganzen Kuchen lassen, oder es liegt daran, die begehrten Slots nicht zu verlieren. Oder man erhofft sich eine Erholung des Marktes innerhalb von ein oder zwei Flugplanperioden.

Und wieviele Sparprogramme haben wir mitgemacht. Alle hatten sie kreative Namen und dauerten mitunter mehrere Jahre. In „Score“, „Fasttrack“ und „Turbine“ waren zahlreiche Maßnahmen verankert. Das reichte von massiven Einschnitten wie Arbeitsplatzabbau, oder Lappalien wie der Verzicht auf Hintergrundmusik während des Einsteigevorgangs. Letzteres sollte GEMA-Gebühren einsparen. Für die unvorhersehbare und nächste nahende Krise.

Ask the Flight Attendant ✈ Frankfurtflyer Kommentar

Es gibt auch immer wieder fette Jahre für die Airlines. Davon bekomme ich aber – wie die meisten Kollegen – weniger mit. Die Krisen wirken sich hingegen schnell bei uns aus. Die Bezahlung läuft zwar zunächst weiter, mit Kurzarbeit oder unbezahltem Urlaub müssen wir aber unseren Beitrag leisten und mit Einschnitten leben. Hinzu kommt der Verzicht auf wichtige variable Teile des Gehaltes, die von den Flugeinsätzen abhängen. Darauf werden wir in den kommenden Monaten verzichten müssen. Für viele Kollegen ist das existenzbedrohend.

Wann es wieder in die Luft geht wissen die wenigsten von uns, die Dienstpläne sind leer oder nicht mehr relevant. Die aktuell verbleibenden Linien- und Sonderflüge sind im Verhältnis zum Personalkörper verschwindend gering.
Ich kann mich diese Tage noch entspannt zeigen und zunächst wichtigeren Dingen den Vortritt geben: Dem Virus den Kampf ansagen und zuhause bleiben. Und dann sehen wir weiter. Bis dahin: Bleibt bitte gesund!

Foto: Lufthansa

 

6 Kommentare

  1. Ja die Turbulenzen für die Airlines habe ich mit der Krise kommen sehen. Eine Branche die gestern noch händeringend suchte, hat plötzlich Überkapazitäten. Ein Wort, dass ich nur ungern für Menschen, die Ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen verwende. Prüfe gerade, meinen Mai-Flug auf Oktober zu verlegen und stelle Fest, ich muss da Ziel ändern, will ich nicht vor Ort dann durch einen Taifun lahm gelegt sein….. Alles nicht. so einfach, aber hoffentlich bleiben wir gesund, wir die Gäste die Tickets haben, die sie abfliegen wollen und die die mich dann am Boden und an Bord versorgen…….

    • Ach weißt Du, ob die Taifunzeit ein Ausschlußkriterium sein sollte?
      Jeden Tag kommen die Taifune ja auch nicht, ist ein wenig ein Lottospiel. Aber für die Aussicht, einmal zwei Tage hängen zu bleiben, ist es dafür überall herrlich leer von Besuchern.
      Wir sind jetzt viermal zur Taifunzeit gereist, einmal musste eine Fahrt mit der Fähre um einen Tag verschoben werden. Das war dann am nächsten Tag kuschelig voll. 🙂
      Sind natürlich zu wenige Reisen für eine brauchbare Statistik.

  2. Danke, wie immer, für einen kleinen Blick hinter die Kulissen. So etwas liest man viel zu selten, der Blick von der Gegenseite wäre sicher z.B. auch bei einer Brotverkäuferin interessant. Natürlich nicht in diesem Blog. 🙂

    Für den angekündigten „Handgepäckroman“ ist vermutlich momentan gerade nicht so ganz der passende Augenblick.

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