Die Boeing 737MAX ist kein Designproblem, sondern ein dramatisches Qualitätsproblem bei Boeing

Foto: David Ryder /Getty Images

Die Boeing 737MAX ist wohl das größte Desaster in der Firmengeschichte des einst so hoch angesehenen Flugzeugbauers aus den USA und hat den Konzern in einen tiefgreifende Krise gestürzt, als vor 5 Jahren zwei Flugzeuge des Typs in sehr kurzer Folge abgestürzt sind. Damals kristallisierte sich ein Designproblem als Ursache heraus, aber inzwischen wird deutlich, es ist eigentlich ein viel tiefgreifenderes und dramatischeres Qualitätsproblem bei Boeing und seinen Zulieferern.

Genau diese Bewertung tritt immer mehr ans Tageslicht und ist inzwischen nicht mehr zu übersehen, nachdem es schon wieder einen Zwischenfall mit einer Boeing 737MAX9 gab, der wieder auf ein systematisches Problem zurückzuführen ist. Für Boeing ist dies aktuell vor allem teuer und in den letzten 5 Jahren hat der Flugzeugbauer fast 30 Milliarden US Dollar Verlust gemacht und man traut sich keine Prognose für die Zukunft zu, was finanziell gesehen die Aktionäre darauf einstimmen soll, dass es unangenehm wird und vielleicht sogar sehr unangenehm.

Das ursprüngliche Problem der Boeing 737MAX, das auf den für das Flugzeug eigentlich zu großen Triebwerken beruht, war dabei nur die Spitze des Eisberges und kein einzelnes isoliertes Problem bei der Boeing 737MAX, sondern eher „nur“ ein Symptom für dramatische Fehlentscheidungen.

So wollte man schnell eine neue Generation der Boeing 737 entwickeln, um neben dem Airbus A320neo konkurrenzfähig zu bleiben. Eigentlich war den Ingenieuren damals schon klar, dass das Design der Boeing 737 zu Ende entwickelt ist und man deutliche Kompromisse eingehen muss. Doch der Zeit- und Kostendruck, den Boeing hatte, hat hier zu dem nun wohl fatalen Fehler geführt die Boeing 737MAX überhaupt zu bauen und inzwischen ist wohl auch klar, dass es für Boeing günstiger gewesen wäre, ein komplett neues Flugzeug zu entwickeln.

Boeing 737 MAX 10 (c) Boeing

Probleme macht inzwischen aber nicht mehr das kompromissbehaftete Design, sondern vor allem die Produktion der Flugzeuge, die man über Jahre darauf optimiert hat Kosten zu senken. Wie Airbus, hat man damit begonnen, nicht mehr alles bei Boeing selbst zu produzieren, sondern ganze Teile des Flugzeuges bei Subunternehmern produzieren zu lassen.

Grundsätzlich ist dies auch kein Problem, aber wenn man sich zu sehr auf die Kostenoptimierung fokussiert und hierbei die Qualität aus dem Auge verliert, hat dies bei Flugzeugbauern fatale Folgen, die sich nun bei Boeing offenbaren. Das große Problem hierbei ist nun auch, dass man diese Probleme nicht einfach abstellen kann und was man über Jahre hinweg an Probleme im Konzern gezüchtet hat, wird nun auch Jahre brauchen, um sie wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Je mehr man in die Details bei Boeing schaut, desto mehr Probleme werden offensichtlich. Vergessenes Werkzeug, nicht entfernte Bohrspäne oder jetzt auch nicht korrekt gesichert Schrauben. Es hört sich wie Kleinigkeiten an, aber es sind Dinge, die nicht passieren dürfen und die bei einem Passagierflugzeug dramatische Folgen haben können und daher auch durch entsprechende Prozesse verhindert werden müssen. Genau hier hat man bei Boeing aber offensichtlich ein Problem und dies ist dramatisch.

Der CEO eines der größten Leasingunternehmen der Welt sagte neulich auf einer Konferenz sogar, dass er sich sicher ist, dass die FAA beim nächsten Zwischenfall mit der Boeing 737MAX die Reißleine ziehen wird und man die Produktion stoppen müsse. Boeing bewegt sich hier also auf unglaublich dünnem Eis und muss hier unbedingt die Probleme unter Kontrolle zu bekommen.

Die Boeing 737MAX ist kein Designproblem, sondern ein dramatisches Qualitätsproblem bei Boeing | Frankfurtflyer Kommentar

Das schwierige Design ist eigentlich nicht das größte Problem von Boeing, sondern eher ein Symptom der jüngsten Vergangenheit. So sprechen auch ehemalige, hochrangige Mitarbeiter inzwischen von problematischen Zuständen und einem zu starken Fokus auf die Kostenoptimierung. So habe sich Boeing zu sehr auf das „Financial Engineering“ und nicht auf das eigentliche „Engineering“ konzentriert und die Folgen treten nun in dramatischer Art zu Tage.

Die Verantwortlichen, welche diese Probleme einst losgetreten haben sind inzwischen wohl auch weitestgehend ausgetauscht und es ist den führenden Köpfen des Konzerns auch klar, was für ein unfassbares Problem man hier hat. Aber wie immer ist es gar nicht mal so einfach diese Probleme alle auszumerzen und vermutlich kennt man sie schlicht und ergreifend auch noch nicht mal alle, was auch Teil des Problems ist.

Eine Sache gibt hier aber Grund zur Hoffnung, denn man hat in der Chefetage bei Boeing durchaus verstanden, in was für einer Situation man ist und man hat hier die Belegschaft und auch die Aktionäre darauf eingestimmt, dass Geld verdienen in absehbarer Zeit nicht mehr das primäre Ziel von Boeing sein wird, sondern Flugzeug für Flugzeug will man sich nun voran arbeiten, um hier den Supergau noch zu verhindern, was ein langfristiger Produktionsstopp der Boeing 737MAX wäre.

5 Kommentare

  1. Vor allem wird es für Boeing unglaublich schwierig werden, das benötigte Fachpersonal zu bekommen, denn man hat während der Krise der letzten 5 Jahre so viele Leute entlassen, so dass ,am jetzt massenhaft einstellen müsste. Die Leute gibt es aber nicht mehr, sie sind in Rente oder haben sich andere Jobs gesucht.

  2. Nein, definitiv nicht! Das Problem ist das Design, weil damit alle Grenzen der Physik (und des Verstandes) angegriffen werden. Das führt erst zu den ganzen Problemen. Braucht es keine super spezielle neue Software gibt es keine 2 Abstürze. Braucht es keine neuen Riesen-Triebwerke, knallen die Dinger nicht ständig beim landen auf die Bahn.

  3. Die Geschichte ist leider ein wenig symptomatisch. Es gibt eine ganze Reihe an Firmen, die lange Zeit von fachlichen Spezialisten geführt wurden. Die waren dann häufig keine perfekten Kaufleute.
    Ein Ersatz solcher Fachleute durch ausgewiesene Kaufleute brachte häufig wirtschaftlichen Erfolg.
    Aber genau wie bei Boeing nicht nachhaltig.

  4. Ein Flugzeug, dessen Urform am 09. April 1967 (B737-100) seinen Erstflug hatte, ist von der Konstruktion (niedriges Fahrwerk, um auf ländlichen Flughafen mit eigenen Treppen auszusteigen, damals keine Fans-, sondern Bläsertriebwerke, etc.) irgendwann „ausentwickelt“. Bis dann die Finanzer und Kaufleute das Sagen bekommen…
    Boeing wird es sehr, sehr schwer haben, da wieder herauszukommen.

  5. Financial Engineering und Human Responsibility sind m.E. die Probleme.
    Wenn die Menschen nicht mehr mitdenken und NUR noch die Checkliste/Leistungskatalog abarbeiten, so fällt nicht weiter auf, dass da z.B. 4-Bolzen fehlen, (könnte ja später in einem extra Arbeitschritt von jemanden anderen gemacht werden) und wenn dann die Motivation wg. „konkurenzfähigen Löhnen und -Arbeitsbedingungen“ usw. gedämpft ist, passieren eben solche Sachen……..
    Über das vielfache „Weiterentwickeln“ der 737 sagte ich immer: Schicke etwas Älteres nach Silicon-Valley und danach ist alles neu. (Ist nur ein Spruch, völlig wertfrei).
    Was das MCAS angeht, so habe ich nie verstanden wie sowas passieren konnte: In allen 737 gab es schon was ähliches, das Speed Trim System, eine FCC-Funktion: AP Off. Flaps not up = Low Speed Flight und wenn dann Schub gegeben wird, würde die Nase nach oben gehen = mehr Widerstand = Reduced Speed. Dann hat ein FCC den Stabilizer nach A/C Nose down getrimmt (Low Speed Protection). Was anderes macht MCAS (eine Funktion der FCC`s) auch nicht.
    Ok., bei der MAX wurde dann alles neu geschrieben und da hat man etwas wohl nicht zu Ende gedacht.
    Fehler können immer passieren. Wenn dann aber noch „Schubladen-Denken, Kostenminimierung und steigerungswürdige Motivation“ hinzukommt, wird`s eng.
    Traurig….

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