
Eine der größten Errungenschaften für Fluggäste in Europa, ist seit rund 20 Jahren die Verordnung Nr. 261/2004. Sie stärkt die Passagierrechte für Flüge von, nach und innerhalb der Europäischen Union. Doch die EU-Kommission will die Fluggastrechte seit einiger Zeit reformieren. Ein erster entscheidender Schritt ist bereits getan – und das mit spürbaren Konsequenzen für Reisende. Künftig könnten Passagiere bei Verspätungen oder Annulierungen seltener eine Entschädigung erhalten. Dafür sollen andere Rechte wie Betreuung und Transparenz gestärkt werden. Was sich konkret ändern soll und warum die Pläne bereits jetzt für Kritik sorgen, fassen wir Euch in diesem Beitrag zusammen.
🛫 Reform beschlossen: Entschädigung künftig erst ab 4 bzw. 6 Stunden Verspätung.
📱 Service im Fokus: Verbesserte Betreuung & digitale Rückerstattungen geplant.
📉 Kritik laut: Verbraucherschützer sehen Passagierrechte stark gefährdet.
Diese Rechte stehen Passagieren von Linienflügen derzeit zu
Seit 2005 regelt die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 die Entschädigungsansprüche von Flugreisenden innerhalb der EU. Doch wer seinen Flug innerhalb der EU antritt oder dort ankommt, kann von den umfangreichen Entschädigungsansprüchen profitieren.
Zu den wichtigsten Regelungen zählen:
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Entschädigung bei Annullierung, Nichtbeförderung oder großer Verspätung, gestaffelt nach Flugdistanz:
- bis 1.500 km: 250 €
- 1.500–3.500 km (oder innerhalb der EU): 400 €
- über 3.500 km: 600 €
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Verspätung ab 3 Stunden am Zielort berechtigt zur Entschädigung (es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor).
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Betreuungsleistungen bei Wartezeiten: Mahlzeiten, Getränke, Telefonate und soweit nötig auch Hotelübernachtungen.
Diese Regelung gilt unabhängig vom Ticketpreis – also auch für günstige Economy-Flüge.
Was sich laut EU-Ratsbeschluss ändern soll
Nach langer Diskussion einigten sich im Juni 2025 die Verkehrsminister der EU-Mitgliedsstaaten auf eine gemeinsame Position zur Überarbeitung der Fluggastrechteverordnung. Die wichtigsten geplanten Änderungen bedeuten Folgendes:
- Höhere Schwellenwerte für Entschädigungen: Künftig sollen Passagiere erst ab vier Stunden auf der Kurz- und Mittelstrecke sowie sechs Stunden auf der Langstrecke Anspruch auf Ausgleichszahlungen haben.
- Reduzierte Entschädigung bei Langstreckenflügen
- Ausbau der Betreuungs- und Informationspflichten
- Mehr digitale Unterstützung bei Beschwerden und Rückerstattungen
- Neuregelung für multimodale Reisen (z. B. mit Bus und Bahn)
Die geplanten Anpassungen müssen noch im Trilog mit EU-Parlament und Kommission verhandelt werden. Dennoch gehen Experten davon aus, die neuen Regelungen noch vor Ende 2025 umgesetzt werden.
Alt vs. neu im Vergleich
Spannend ist ein Blick auf die Veränderungen. Denn während die Dauer der Verspätung und die Höhe der Entschädigungsleistungen zu Gunsten der Fluggesellschaften ausfällt, dürfte der Prozess der Entschädigung zukünftig einfacher werden.
Thema | Bisherige Regelung (EG 261/2004) | Geplante Änderungen (EU-Ratsposition, Juni 2025) |
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Entschädigung bei Verspätung | ab 3 Stunden Ankunftsverspätung | ab 4 Std. (bis 3.500 km), ab 6 Std. (über 3.500 km) |
Kurzstrecken-Entschädigung | 250 € (bis 1.500 km) | 300 € (bis 3.500 km) |
Langstrecken-Entschädigung | 600 € (über 3.500 km) | 500 € (über 3.500 km, erst ab 6 Std. Verspätung) |
Versorgung bei Wartezeit | verpflichtend ab 2 Std. (Mahlzeit, Hotel etc.) | ausgeweitet, z. B. mit digitalem Zugang zu Informationen |
Rückerstattung | oft mühsam, je nach Airline, keine Standarisierung | Rückerstattungspflicht bei Verspätung von mehr als 3 Std. |
Multimodale Reisen | nicht geregelt | Haftungsklarheit bei verknüpften Tickets (z. B. Flug+Zug) |
Barrierefreiheit / Mobilität | Grundrechte für Menschen mit Behinderung | verbesserter Schutz und verpflichtende Hilfeleistungen |
Kritik und Reaktionen
Während die Fluggesellschaften jubeln dürften, schlagen Verbraucherschützer Alarm: Organisationen wie BEUC oder der vzbv befürchten eine „massive Aushöhlung“ der Rechte von Reisenden. Besonders problematisch: Flüge mit 3 bis 4 Stunden Verspätung blieben künftig entschädigungslos. Für die meisten Fluggäste dürften hingegen drei Stunden Verspätung schon nervenaufreibend genug sein.
Auch der ehemalige Justizminister Marco Buschmann (FDP) äußerte sich während seiner Amtszeit kritisch. Deutschland wurde im Rat überstimmt. Er sieht das Vorhaben als Rückschritt.
Europäische Airlines dürften im wesentlichen Happy mit den neuen Regelungen sein. So beschreibt Lufthansa die Reform als „überfällig“ und betont, dass die Anpassungen rechtliche Unsicherheiten beseitigen.
Was Reisende jetzt wissen müssen
Zunächst einmal kann die Hysterie aus der Diskussion herausgenommen werden. Denn die neuen Regeln sind noch nicht in Kraft. Das EU-Parlament muss die EU-Ratsposition noch bestätigen. Dazu gibt es noch einige Verhandlungen, die über den Sommer und vielleicht auch Herbst 2025 weiterlaufen sollten.
Selbst wenn die neuen Fluggastrechte noch in diesem Jahr in Kraft treten, werden sie nicht rückwirkend gelten. Flüge bis zum Inkrafttreten unterliegen weiterhin den aktuellen Rechten. Aber wir können davon ausgehen, dass nicht der Buchungszeitraum, sondern der Zeitpunkt des Fluges relevant sein dürfte.
Wer in Zukunft häufiger mit knapp 4 Stunden Verspätung reist, wird leer ausgehen. Damit dürften die streitbaren Fälle deutlich reduziert werden. Es gibt jedoch Hoffnung, dass es in berechtigten Fällen zukünftig einfacher sein wird, die Erstattung zu erlangen. Denn Stand heute handhabt jede Fluggesellschaft den Erstattungsprozess individuell.
Flugausfall und Verspätung bei Lufthansa – so lange hat die Kompensation gedauert
EU-Reform der Fluggastrechte: Was Reisende jetzt wissen müssen | Frankfurtflyer Kommentar
Als damals die EU Fluggastrechteverordnung 261/2004 in Kraft trat, hatte ich schon die Vermutung, dass die eine oder andere unzuverlässige Airline damit in den Ruin getrieben wird. Ein Airline-Sterben gab es nun auf Grund verbesserter Fluggastrechte nicht, auch wenn damals Airberlin kräftig auszahlen musste. Dass die Regelungen irgendwann angepasst werden, war jedoch kein Geheimnis. Eine Anpassung nach rund 20 Jahren hätte ich jedoch nicht erwartet. Da hat die Airline-Lobby offensichtlich lange arbeiten müssen, dass sich etwas tut.
Fasst man die Änderungen zusammen, sieht das sehr stark nach einem Kompromiss aus. Ein Entschädigungsanspruch erst nach vier bzw. sechs Stunden Flugzeit, ist eine deutliche Verschlechterung. In der Praxis bedeutet das: Vier Stunden ungewisses Warten am Gate – meist mit scheibchenweise kommunizierten Verzögerungen. Die Reduzierung der Höhe der Entschädigung ist dabei verkraftbar. Was bei mir bleibt, ist die Hoffnung, dass Entschädigungsleistungen zukünftig leichter zu erhalten sind. Das dürfte wiederum spezialisierten Portalen, wie Flightright nicht gefallen, da sie in Zukunft weniger Relevanz haben werden.
Was haltet Ihr von der Veränderung der EU-Fluggastrechteverordnung? Hinterlasst gerne einen Kommentar.
Das sind die europäischen Fluggesellschaften mit den meisten Verspätungen und Flugstreichungen
Sehe ich anders! im Gegenteil: mit den verlängerten Verspätungen kann man leben, weniger mit den viel zu geringen Kompensationsbeträgen: korrekt wären 500 und 1000€! Alles wird teurere, warum kann man die Kaufkraftverlust nicht ausgleichen
2004 bin ich noch für 99€ incl. Gepäck von allen DE-Airports in der EU geflogen, heute geht’s selten unter 250 mit Gepäck!
Die genannten Verbesserungen sind pure Augenwischerei? Was soll digital werden? Der Antrag auf Kompensation, dann entschieden durch eine AI-Robot?
Vergessen habt ihr eine entscheidende Änderung: der angebotene Ersatzflug darf zum Zeitpunkt der Änderung maximal 4 mal soviel kosten wie der zuerst gekaufte, ansonsten Aufpreis zu bezahlen….
Das hab ich etwas anders verstanden. Der Preis des angebotenen Ersatzfluges ist überhaupt nicht erwähnt, was die Airline anbietet muss sie zahlen. Nur der Preis des selbst gebuchten Ersatzfluges (wenn die Airline rechtswidrig keinen anbietet) ist aufs 4fache gedeckelt. Sollte man im Regelfall aber auch mit hinkommen, außer bei Superschnäppchen für 9,99€.
Gute Arbeit der Fluggesellschaft Lobby. Gab es für die Entscheider in Brüssel bestimmt wieder paar gratis Flüge oder ähnliches – natürlich reine Spekulation, wir haben ja strenge Compliance Regeln die vollumfänglich eingehalten werden.
vermutlich wieder einmal „auf vielfachen Wunsch der Kunden“ …
Wartet mal ab ob es durch das Parlament geht 🙂
Das ist doch nur ein Abnickverein…
Dann schreibt Euren Abgeordneten! Denn die haben es in der Hand.
Genauso gut kann ich einen Wunschzettel an den Weihnachtsmann schreiben…
eindeutige Verschlechterung – Zumutung
Es ist eine Zumutung, was in Brüssel abgeht.
In jeder Firma gibt es Compliance und du darfst kaum noch einen Stift annehmen ohne befürchten zu müssen, es gilt als Bestechung.
Aber die Herren und Damen der Regierungen machen sich die Taschen voll und es passiert nichts.
Hier wird mit zweierlei Maß gemessen, aber es ist scheinbar normal und gerechtfertigt.
Wir sollten Bürgerentscheide einführen, vor allem wenn es um viele wichtige Dinge geht.
Was nach wie vor fehlt ist bei Langstrecke eine erweiterte Staffelung. Bei Ausfall des Fluges sind das max. 600 EURO pro Passagier, egal wann der Ersatzflug angeboten wird. Der Airline ist es dann egal, ob sie euch am nächsten, am übernächsten oder sogar noch später einen Ersatzflug anbietet.
So ist es uns mit Lufthansa passiert und über 52 Stunden später im USA Urlaub anzukommen macht da schon einen Unterschied zu 24 Stunden später.