Pilot bewusstlos: Lufthansa Airbus A321 fliegt 10 Minuten führungslos nur mit Autopilot

Foto: Lufthansa

Es ist eine Geschichte wie aus einem Film und wohl kein Passagier oder Crewmitglied will so etwas je erleben, dass ein vollbesetztes Passagierflugzeug über Minuten nur noch vom Autopiloten geflogen wird, da der einzige Pilot im Cockpit das Bewusstsein verliert. Genau dies ist bereits am 17. Februar 2024 auf LH 1140 von Sevilla nach Frankfurt passiert, und nun liegt der offizielle Untersuchungsbericht vor, der durchaus Fragen aufwirft.

Das Wichtigste auf einen Blick:

✈️ Pilot kollabiert: Lufthansa A321 fliegt minutenlang nur per Autopilot – Kapitän war nicht im Cockpit
⚠️ CIAIAC-Bericht: Keine Anzeichen vorher, aber neurologische Ursache vermutet
🔐 Sicherheitsfrage: Warum bei Lufthansa keine Zwei-Personen-Regel im Cockpit gilt

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Die Beschreibung des Vorfalls liest sich bereits einigermaßen spektakulär, denn der Airbus A321 mit 199 Passagieren und 6 Crewmitgliedern an Bord war 40 Meilen von Madrid entfernt, als LH 1140 einen medizinischen Notfall meldete und eine sofortige Landung in Madrid erbat. Binnen 18 Minuten ist der A321 von seiner Reiseflughöhe in 35.000 Fuß abgestiegen und in Madrid gelandet. Allein diese Zeitspanne deutet auf einen recht rapiden Sinkflug mit vertikalen Sinkraten von teilweise über 3.000 Fuß pro Minute hin, was man normalerweise so nicht mit Passagieren an Bord durchführt.

Die Crew meldete, dass der Erste Offizier des Fluges das Bewusstsein verloren hatte und dringende medizinische Hilfe benötigte, welche ihm in Madrid auch zuteil geworden ist. Der Airbus A321 konnte nach 5,5 Stunden am Boden mit einem Ersatzpiloten und den Passagieren weiter nach Frankfurt fliegen.

Der Untersuchungsbericht des Vorfalls der spanischen Aufsichtsbehörde CIAIAC gibt allerdings noch weitere Details preis und lässt nur erahnen, wie dramatisch die Situation teilweise an Bord gewesen sein muss. Als der Erste Offizier das Bewusstsein verloren hat, war er der einzige Pilot im Cockpit, da der Kapitän kurz vorher das Cockpit aus physiologischen Gründen (vermutlich Toilettengang) verlassen hatte, wie es der Bericht beschreibt.

Der Erste Offizier war flugunfähig und wohl auch nicht zurechnungsfähig für etwa 10 Minuten im Cockpit des Airbus A321. In dieser Zeit wurde das Flugzeug ausschließlich vom Autopiloten geflogen, was grundsätzlich möglich ist, allerdings muss dieser permanent überwacht werden. Auch hat der Erste Offizier, der wohl einen Krampfanfall erlitten hat, während dieser Phase wohl im Krampf sowohl Knöpfe gedrückt als auch Steuerbewegungen ausgeführt.

Als die Situation außerhalb des Cockpits bemerkt wurde, hat der Kapitän des Flugzeuges versucht, mit dem Notfallcode das Cockpit zu öffnen. Dieser ist mit einem Zeitversatz versehen, um im Notfall der Cockpit-Crew bei unbefugten Öffnungen Zeit zum Reagieren zu geben. Bevor dieser Timer abgelaufen war, kam der Erste Offizier wieder zu Bewusstsein und konnte dem Kapitän die Tür manuell öffnen. Die Crew hat sich daraufhin zu einer sofortigen Landung in Madrid entschieden.

Ergebnisse des CIAIAC-Berichtes

Der Untersuchungsbericht der spanischen CIAIAC sieht grundsätzlich kein Fehlverhalten von Crew und Airline, wirft aber auch Fragen auf. So sei der Erste Offizier mit einem perfekten Gesundheitszeugnis ausgestattet gewesen und seine neurologische Erkrankung wurde bisher noch nicht erkannt. Entsprechend wird der ganze Vorfall als Verkettung unglücklicher Umstände bewertet.

Direkt bevor der Kapitän das Cockpit verlassen hatte, hatte er mit dem Ersten Offizier über die aktuellen Wetterbedingungen und die weitere Flugdurchführung gesprochen. In diesem Gespräch zeigte der Erste Offizier keinerlei Anzeichen von medizinischen Problemen oder Einschränkungen, weshalb der Kapitän die gesundheitliche Entwicklung nicht hätte erwarten können.

Grundsätzlich war es auch zulässig, dass der Erste Offizier während der Zeit, in welcher der Kapitän nicht im Cockpit war, die einzige Person im Cockpit war. Allerdings wird seit dem Germanwings-Absturz 2015 dringend dazu geraten, dass immer zwei Personen im Cockpit sind. Bei manchen Airlines ist dies auch verpflichtend, bei Lufthansa allerdings nicht.

Dieser Vorfall wirft wieder einmal die Diskussion auf, ob man diese Vorschrift nicht regulatorisch verankern sollte, um die Sicherheit in der Luftfahrt zu erhöhen.

Pilot bewusstlos: Lufthansa Airbus A321 fliegt 10 Minuten führungslos nur mit Autopilot | Frankfurtflyer Kommentar

Wir schreiben hier öfters über Zwischenfälle und nicht selten hören sich diese zwar sehr spektakulär an, sind aber nicht wirklich dramatisch, sondern vor allem ärgerlich für die Passagiere. In diesem Fall handelt es sich wirklich um einen Vorfall, bei dem ich äußerst ungern an Bord gewesen wäre, denn auch wenn hier alles gut gegangen ist, spätestens seit dem Germanwings-Absturz wissen wir, dass so etwas auch dramatische Folgen haben kann – und das Ganze hätte auch schiefgehen können.

Dies wirft tatsächlich die Frage auf, warum es genau bei Lufthansa noch nicht Vorschrift ist, dass immer zwei Personen im Cockpit sind. Dies ist zwar auch kein vollständiger Schutz, aber genau in diesem Moment hätte es sowohl den Passagieren des Fluges als auch dem Ersten Offizier sehr genützt, denn es hätte vermutlich recht dramatische Minuten erspart und auch dem Ersten Offizier noch schnellere Hilfe ermöglicht.

Es ist extrem selten, dass Piloten während des Fluges ausfallen, aber es war auch nicht das erste Mal, dass so etwas passiert ist, weshalb die Frage durchaus erlaubt sein muss, warum die FAA oder EASA hier keine Vorschrift verfassen wollen, sondern es den Airlines oder Crews freistellen.

Danke AvHerald

10 Kommentare

  1. Alle mayor airlines in den USA haben seit 9/11 2 Personen im Cockpit, wenn es Industrie Standard ist braucht es eigentlich keine FAA Regeln.

    LH Group hatte das für ein paar Monate nach dem Germanwings Absturz auch eingeführt, aber wie immer bei der LH wieder weg rationalisiert.

    • War das nicht die EASA, die das aufgeweicht hat im Jahr 2016? Man war doch irgendwie der Meinung, dass das nicht so viel helfen würde und spricht nur noch aufgeweichte Empfehlungen aus.
      Es wurde doch sogar mal argumentiert, dass es gefährlicher wäre, die Cockpittür so lange offen zu haben.

  2. Permanent 2 Leute im Cockpit? Geht ja gar nicht, einer von denen muss ja sicher unterwegs mal „Müssen“.
    Es soll ja auch schon vorgekommen sein, dass beide gleichzeitig eingepennt sind und Militärmaschinen aufgestiegen sind !!

      • Du musst ja garnicht eingreifen. Den Kapitän rufen hätte ja schon viel gebracht. Es verlassen ja nur Piloten das Cockpit in eh stabilen Flugphasen, daher hat man da schon etwas Luft.

        Es gibt ja auch immer Diskussionen ob man FAs Schulen müsse ein Flugzeug im Notfall zu landen. Das halte ich für quatsch.

        • Einen Piloten-Crash-Kurs für FAs halte ich auch für Unsinn.

          Eine Immer-zwei-Personen-im-Cockpit-Regel (ein Pilot und ein FA) wäre hingegen aus meiner Sicht heutzutage sehr wichtig. Man stelle sich vor, was passiert wäre, wenn der Pilot das Bewusstsein nicht wiedererlangt hätte…

          Beim Skydiving ist ein automatischer Öffnungscomputer (Cypres) auf den mir bekannten Sprungplätzen Pflicht. Es ist in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen, dass eine Person in der Luft bewusstlos oder handlungsunfähig wurde und dann trotz völlig intakten Fallschirms in den Tod gestürzt ist.

          Nun ist ein Linienflug weit entfernt vom Skydiving. Aber warum sollten alle Insassen eines Flugzeugs gefährdet werden oder sogar unnötig und sinnlos sterben, weil es im Cockpit ein medizinisches Problem gibt und einer der Piloten selbiges z. B. zwecks WC-Gangs kurz verlassen hatte und nicht wieder die Steuerung übernehmen kann?

          Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, angesichts von tausenden Flügen täglich kommen solche Szenarien aber vor.

          Um Kosten zu sparen, denkt man ja sogar in Richtung des Ein-Personen-Cockpits. So sehr ich Technik schätze und so sehr der Faktor Mensch auch ein Problem darstellen kann: Ich bin da skeptisch, ebenso wie bei potentiell komplett autonomen Flugzeugen.

        • Ich meinte mit eingreifen auch nur, dass sie hätten die Tür öffnen können oder sowas. Eben erste Hilfe leisten.

          Und gebe dir völlig recht, dass sie Landen können, finde ich auch Quatsch.

  3. Für meine Begriffe ein Sturm im Wasserglas. Es ist nicht alles nach Plan gelaufen, für die Abweichung vom Plan war aber Vorsorge getroffen. Und die funktionierte auch.
    Natürlich muss hier alles ausführlich untersucht werden, wie bei jedem Vorfall in der Luftfahrt. Auf solchen peniblen Untersuchungen beruht bekanntlich das sehr hohe Sicherheitsniveau.
    Aktionismus jeglicher Art – gern aus dem Mund fachlich hoch kompetenter Boulevardjournalisten – ist fehl am Platz.

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