Rollstuhlfahrer muss nach Ryanair-Flug aus Flugzeug kriechen

Boarding über die Flugzeugtreppe. Für Rollstuhlfahrer ein zusätzliches Hindernis. Archivfoto: Frankfurtflyer

Flughäfen und Fluggesellschaften sorgen in der Regel dafür, dass auch gehbehinderte Menschen möglichst komfortabel fliegen können. Dabei sind Rollstuhlfahrer zumeist auf Hilfe angewiesen. Hilfe, die einem Rollstuhlfahrer auf einem Ryanair-Flug von Irland nach Schweden vor Kurzem verwährt bliebt, obwohl er sie gebucht hatte. Der Passagier musste über die Flugzeugtreppe aus der Boeing 737 von Ryanair kriechen.

Unter normalen Bedingungen ein eingespielter Prozess: Entweder direkt bei der Buchung oder irgendwann vor dem Abflug melden weniger mobile Fluggäste an, dass sie auf ihrem Flug Unterstützung benötigen. Bei Ryanair lässt sich bei der Buchung direkt bei der Eingabe des Passagiernamens ein Häkchen setzen, mit dem der so genannte Wheelchair-Service beauftragt wird.

Dafür gibt es von der IATA standarisierte Codes:

  • WCHR Steht für „Wheelchair Ramp“, was so viel bedeutet, dass ein Passagier zwar ins Flugzeug einsteigen kann, aber für die längeren Strecken am Flughafen Unterstützung benötigt
  • WCHS: Bei „Wheelchair Stairs“ benötigt der Passagier zusätzlich auch Unterstützung, um in das Flugzeug zu kommen, da er die Treppen nicht steigen kann
  • WCHC: Bedeutet „Wheelchair Cabin“. Bei diesem Prozess wird der Passagier mit dem Rollstuhl bis zu seinem Platz im Flugzeug gebracht

Ob bei dem aktuellen Fall, der sich vor einigen Tagen ereignete, nun WCHS oder WCHC gebucht war, ist nicht bekannt. Aber als der irische Rollstuhlfahrer Adrian Keogh nach seinem Ryanair-Flug in Göteborg-Landvetter (GOT) ankam, wartete er zunächst vergeblich auf Hilfe. An Board der Ryanair Maschine wurde dem Iren mitgeilt, dass es bis zu einer Stunde dauern könnte, ehe man ihn abholen würde. Alternativ habe ihm das Kabinenpersonal empfohlen, dass er auch selbst aus dem Flugzeug kriechen könne anstatt zu warten.

Rollstuhlfahrer muss nach Ryanair-Flug aus Flugzeug kriechen | Zu wenig Personal

Zwar hatte Keogh seinen Bruder als Begleitung dabei und der bot ihm auch an, ihn die Treppe hinter zu tragen, doch das lehnte er ab. Das Risiko, dass bei dem Vorgang beide die Flugzeugtreppe hinunter stürzen und sich verletzen, sei ihm zu groß gewesen. Also kroch der Rollstuhlfahrer aus eigener Kraft die Treppe hinunter. Ein würdeloser Vorgang, wie es das vermeintliche Opfer später bezeichnete.

 

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Nachdem der Vorfall an die Öffentlichkeit gelangt war, schoben sich sowohl Ryanair als auch der Flughafen gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Unter einem Instagram-Post von Rollstuhlfahrer Keogh entschuldige sich ein Vertreter des Fluhafens Landvetter mittlerweile für den Vorfall. Nach Angaben des Flughafens seien auf Grund von Flugverspätungen zu viele Flugzeuge gleichzeitig gelandet. Trotz bestellter Assistenz-Kräfte konnten nicht alle Flugzeuge schnell genug abgefertigt werden. Parallel habe es auch noch einen Notarzteinsatz gegeben, der dafür sorgte, dass sich die Situation am Flughafen darüber hinaus zugespitzt habe.

Rollstuhlfahrer muss nach Ryanair-Flug aus Flugzeug kriechen | Frankfurtflyer Kommentar

Für mich ist Reisen mit Kinderwagen ja schon eine brutale und komplizierte Angelegenheit. Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, wie aufwendig es ist, als Rollstuhlfahrer eine Reise anzutreten. Und damit meine ich jetzt nicht die Passagiere, die mit Rollstuhl an Bord gebracht werden und in der Luft eine derartige Wunderheilung erleben, dass sie bei Ankunft laufend das Flugzeug verlassen können. Jemand, der dauerhaft an einen Rollstuhl gebunden ist, reist vermutlich immer mit dem Gedanken „was ist jetzt, wenn etwas nicht so wie geplant klappt“. So wie Adiran Keogh, der scheinbar von der Ryanair Crew darauf aufmerksam gemacht wurde, dass er auch aus dem Flugzeug kriechen kann. Was er dann auch tat. Respekt auf jeden Fall für den „Move“.

Quelle: BBC

13 Kommentare

  1. Am 18 Januar in Berlin gelandet, kam mein Gepäck und der Rollstuhl auch nicht mit . das Flughafen Personal hört um 23 15 auf zu arbeiten . Somit hatte ich weder Gepäck noch einen Rollstuhl und wurde von Freundlichem Mitreisenden zum Taxi begleitet. Im JW Marriott hatten Sie dann einen Rollstuhl den ich für die Tage in Berlin benutzen konnte .übrigens kam der Rollstuhl und mein Gepäck 2 Tage später an .
    Ach ja der Flug , war der letzte in meinem Segment mit der Swiss aus Zürich in der Business Klasse .
    Ich habe 2 mal geschrieben aber keine Antwort von der Swiss erhalten .
    Was ich am Dienstag auf meinen Swiss Flügen erlebt habe , möchte ich erst gar nicht schreiben.
    So werden allso Behinderte in der Schweiz und Deutschland behandelt.
    Wenn SIE erst um 23 Uhr in Berlin landen , zB.Iberia gibt es auch so gut wie keinen Service , dann laufen Sie soweit Sie können vom Ankunftszeit Gate bis zum Ausgang 1300 m
    Ich weiß auch nicht wo Behinderte sich beim Abflug hinsetzen sollen , es sind keine Sitze reserviert!
    Die Rampen sind auch zu steil , so das es nicht möglich den Rollstuhl nach ob zu schieben , es wurden nun elektrische Rollstühle dafür angeschafft .
    Das ist alles kein Witz , das ist Deutschland 2023

    • Verrückt wenn man so etwas liest. Was mich mal interessieren würde: Ist der „Service“ überall kostenlos oder muss man bei bestimmten Airlines dafür zahlen. Bei dem Fall in dem Artikel sagt der Passagier, dass er dafür bezahlt hätte. Was ich mir bei Ryanair auch gut vorstellen könnte.

    • Das mit den Rampen ist echt unmöglich am BER. Das ist schon als normaler Reisender fürchterlich. Selbst wenn man nur den kleinen Koffer hinterher zieht. Ich habe schon oft gesehen, welche Probleme Rollstuhlfahrer dort haben. Da stehen auch Schilder, ich glaube 7% Gefälle oder so. Wer sich sowas ausdenkt? Das ist wie mit den Rolltreppen, die nur hoch, aber nicht runtergehen. Und dann nutzt natürlich jeder den Fahrstuhl.

      Das wird ja in D so gebaut, dass man dieselben Gates für Schengen und non-Schengen nutzen kann. In FRA und MUC sind dafür Treppen, obwohl das irgendwie angenehmer ist als diese fürchterliche Schräge.

      • Naja,

        mag ja sein.

        Nur ist dies in dem Falle ja offensichtlich ungerechtfertigtes Ryanair-Bashing.

        Die können ja nichts davon, wenn der Flughafen in diesem Falle und in dem Moment zu wenig Personal für mehrere solcher Fälle zur Verfügung hat.

        Ich kenn die Prozedur dort nicht, aber vermutlich braucht man dort ne Hebebühne samt geschulten und dafür versicherten Personals?

        Wie sie wohl an deren Fliegern und aufgrund eines medizinischen Notfalls woanders auch gebraucht wurde.

        Ist natürlich doof wenn du deswegen ne Stunde warten musst. Ich meine aber gelesen zu haben, dass er dies nicht wollte weil er aufs Klo musste – weshalb da die Flugzeugtoilette nicht ausreicht wo man ihn sicherlich hin stützen kann, hat sich mir hingegen nicht erschlossen.

        Insofern hört sich dies schon ein wenig nach bewusst skandalisierten Aktivismus an.

        • Versuchen Sie mal sich in eine enge 737 Toilette zu zwengen, wenn Sie keine kontrolle über Ihre Beine haben. Behindertentoiletten sind nicht ohne Grund erstens grösser, und zweitens mit diverse Haltebügeln und griffen versehen.

          Drone Geschichte ist aber leider Keine seltenheit. Ich war letztes Jahr auch unfallbedingt für eine Zeit auf einen Rollstuhl angewiesen und wurde mehrmals an Flughäfen vergessen. Der Crew gefiehl das garnicht, da soe so nicht mit dem Boarding des nächsten Fluges anfangen, bzw selbst den Flieger verlassen konnten.

  2. Absolut würdelos, ich bin entsetzt, dass so etwas in Europa passieren kann! Meiner Meinung nach haben Behinderte, insbesondere Rollstuhlfahrer, das Recht, einem Nichtbehindertem kostenlos gleichgestellt zu werden. Und selbst wenn es am Tag nur einer wäre, sollte ein entsprechender mobiler Aufzug, egal was er kosten würde, da sein. Dafür wäre ich auch bereit, mehr Steuern zu zahlen! Zur Toilette: bei der Enge an Bord hat man schon als Gesunder seine Probleme, nicht umsonst gibt es ja Behindertentoiletten.

  3. Ich weiß nicht. Wegen der Wartezeit von ca. 1h standen Rollstuhlfahrer und Flugbegleitung aus unterschiedlichen Motiven unter Streß. Wie das Ganze wirklich eskaliert ist, wissen nur die direkt Beteiligten.
    Rational ging es um eine – natürlich nicht erfreuliche – Stunde Wartezeit. Das kommt jetzt am Flughafen schon einmal vor, für Passagiere jeden Geschlechts, jeder Nationalität, mit und ohne Handicap…
    Keine Ahnung, wie das anderswo gemanagt wird. In MUC übernimmt die Firma Aicher wirklich hochprofessionell die Betreuung der Rollstuhlfahrer.

  4. Ich bin selbst Rollstuhlfahrer und fliege pro Jahr selbst rund 500000 Meilen. So etwas habe ich aber noch nicht erlebt. Es kommt halt immer auf die Fluggesellschaft an. Ich fliege vorzugsweise BA, die einen guten Service bieten.
    Das mit BER und den steilen Rampen habe ich nicht verstanden. BER ist mein „Heimatflughafen“ und mit Hilfe komme ich bestens zurecht.

  5. Ich bekomme Angst. Morgen werde ich mit RyaAi nach Malta fliegen. Ich bin Doppel oberschenkelamputiert und kann wegen miserabler Stumpfverhältnisse nicht auf Prothesen gehen. D.h. ich trage auch keine, sondern reise mit Rollstuhl. Ich hätte gerne eine andere Airline gebucht, aber Direktflüge sind mit Rolli wichtig, weil beim Umsteigen so viel verloren gehen kann, und ab Köln gab es eben nur Flüge mit RyanAir.
    Ich habe Angst, dass mein Rollstuhl nicht mitkommt, dass ich nicht mitgenommen werde und und und…
    Mit anderen Airlines habe ich meine Erfahrungen gemacht. Aber Vieles, was schief geht, liegt auch am Flughafen. Frankfurt kann ich keinem empfehlen – die Servicekräfte machen sich sofort nach der Assteighilfe aus dem Flugzeug aus dem Staub und dann steht man da- auf diesen großen Flughafen, nicht fähig zu gehen und muss dann auch noch das Gepäckband selbst finden, sowie das Gepäck selbst vom Band nehmen, was schlicht und ergreifend nicht geht. Dieses Jahr im Mai haben sie mein elektrisches Zuggerät auch noch kaputt gekriegt.
    Düsseldorf ist auch schlimm – warten, Warten, warten etc. Auf alles – überall ist man die Letzte, was einem das Gefühl gibt, Das Letzte zu sein.
    In den höchsten Tönen loben möchte ich die Flughäfen in Florenz und in Rom – die Hilfe für Rolli-Fahrer ist schon da, bevor man sie sucht und verabschiedet einen erst, wenn man im Taxi zum Hotel sitzt. (Viele Erfahrungen weil viele Flüge dorthin)
    Köln war bisher auch immer okay – da kann ich nicht meckern.
    Ich bin sehr gespannt, was mich jetzt erwartet, habe aber angefangen, sehr viele Reisen innerhalb Europas mit dem Auto zu absolvieren. Bei Malta ist das allerdings kaum möglich.

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