Wann bricht die russische Luftfahrt zusammen?

Vor über einem Jahr hat Russland die Ukraine überfallen und es folgten hierauf massive Sanktionen des Westens, welche sich auch vorrangig gegen die Luftfahrt in Russland gerichtet haben. Man darf z.B. nicht mehr den Luftraum der EU, Kanadas und der USA nutzen und folgerichtig dort auch nicht mehr landen. Zusätzlich dürfen Airbus, Boeing und Embraer keine Flugzeuge, Ersatzteile oder Services mehr an Airlines aus Russland liefern, was die Airlines eigentlich lahm legen sollte.

Hier stellt sich nun natürlich die Frage, wie ist eigentlich der Zustand der Airlines in Russland und wann bricht die russische Luftfahrt zusammen, was das eigentliche Ziel der Sanktionen war. Klar ist, die russische Luftfahrt steht mit dem Rücken an der Wand, aber zusammengebrochen ist sie schon lange nicht mehr.

Eigentlich hätte es schon direkt nach dem in Kraft treten der Sanktionen vor einem Jahr zu einem massiven Abfluss der Flugzeuge von den Airlines in Russland kommen müssen. Die meisten Flugzeuge der russischen Airlines waren bei Leasinggesellschaften in Europa und den USA geleast und diese mussten die Verträge mit russischen Airlines kündigen und die Flugzeuge zurück fordern.

Dies ist allerdings nie passiert, da die Regierung in Moskau es den eigenen Airlines mehr oder weniger per Gesetz erlaubt oder befohlen hat, diese Flugzeuge zu behalten und man hat sie wenn man es so will erst einmal gestohlen. Inzwischen wurden zwar für einige Flugzeuge auch Ablösen bezahlt, aber Leasingfirmen mussten Milliarden abschreiben.

Die S7 Airline war teil der oneworld Allianz, musste diese aber inzwischen verlassen.

Eigentlich hätte man die westlichen Airbus und Boeing Flugzeuge auch bald nicht mehr einsetzen dürfen, denn Ersatzteile können nicht mehr geliefert werden. Man greift hier wohl aber aktuell noch auf Lagerbestände in Russland zurück und bekommt auch über Drittländer und unbekannte Kanäle nach wie vor einige Ersatzteile für die Flugzeuge.

Der russische Verkehrsminister hat neulich öffentlich bekundet, dass er davon ausgeht, dass die Airbus und Boeing Jets von russischen Airlines noch mindestens 10 Jahre fliegen können. Ersatzteile würden noch in das Land kommen, allerdings würde man bewusst nicht sagen wie.

Ganz zufällig ist dieses 10-jahres Fenster wohl auch nicht in dieser Aussage gewählt, denn dies ist der minimale Zeitraum den man brauchen wird, um die russischen Flugzeugbauer wieder dazu zu bekommen, selbst Flugzeuge für den russischen Markt zu bauen. Dabei will man vor allem auf teils schon 30 Jahre alte Muster, wie die Tupolew-Tu-204/214-Familie setzen. 

Auch wenn man mit dem Suchoi Superjet 100 grundsätzlich ein aktuelles Muster eines russischen Flugzeugbauers hätte, hat man hier das große Problem, dass man hier auch viele Teile von Zulieferern aus Europa und den USA bezogen hat und diese gar nicht mehr bekommt. Entsprechend muss man auch beim Superjet umstellen und kann diesen aktuell wohl nicht bauen. Ausgeliefert wurden zumindest keine an russische Airlines.

Aeroflot Superjet 100 Foto: Aeroflot

Dass die russischen Flugzeuge westlicher Bauart auch alle so uneingeschränkt einsatzfähig sind, wie man es gerne öffentlich darstellen will, darf man bezweifeln, wenn man sich einmal die Airbus A350-900 Flotte von Aeroflot anschaut, die eigentlich top modern ist und noch Jahrzehnte für Aeroflot fliegen sollte.

22 Flugzeuge des Typs wollten die Russen einmal übernehmen, allerdings hat man genau am Tag des Überfalls auf die Ukraine den siebten Airbus A350-900 von Airbus übernommen und alle weiteren Bestellungen wurden storniert. Turkish Airlines und Air India haben diese nun übernommen.

Von den sieben Aeroflot Airbus A350-900 sind aktuell nur sechs einsatzfähig, denn das jüngste Flugzeuge aus dem Februar 2022 hat man inzwischen schon still gelegt und er wird als Ersatzteilspender für die anderen Airbus A350-900 benutzt. Dennoch sind die sechs verbleibenden Jets gerade einmal 50 Flüge in 2023 bisher geflogen und alle nur im Inland.

Generell fliegen russische Airline VIEL weniger als noch vor dem Februar 2022, was natürlich auch damit zu tun hat, dass man in die einst wichtigsten Märkte gar nicht mehr fliegen darf. Dennoch deutet dies durchaus darauf hin, dass man bereits operative Probleme hat oder befürchtet, denn für die Zahl der Flüge hat man absurd viele Flugzeuge aktiv.

Grundsätzlich kennt man Probleme in der Versorgung bei der Luftfahrt aus vergangen Zeiten und in Russland ist man extrem findig, wenn es darum geht, auch mit begrenzten Mitteln die Fluggesellschaften noch am Laufen zu halten. Dies entspricht dann zwar nicht mehr den internationalen Standards, aber grundsätzlich wird man vermutlich mit dem ein oder anderen Trick noch sehr lange mit westlichen Flugzeugen in Russland fliegen können, wenn auch nicht in den Frequenzen die man einmal hatte.

Wann bricht die russische Luftfahrt zusammen? | Frankfurtflyer Kommentar

Wie lange die russische Luftfahrt noch durchhält kann man nicht wirklich sagen, was auch daran liegt, dass Russland so durchsichtig wie eine Backsteinwand ist und niemand wirklich von außen sagen kann, wie der Zustand der Flugzeuge aktuell ist und wie die Ersatzteilbestände im Land und auch die Möglichkeiten sind, Ersatzteile auf Umwege zu besorgen.

Klar ist, dass die Sanktionen eigentlich schon längst die russische Luftfahrt hätten lahmlegen müssen, zumindest wenn man hier noch nach unseren Standards arbeiten würde. Schon alleine weil teils geforderte Software Updates nicht mehr aufgespielt werden können, müssten eigentlich zum Grounding der Flugzeuge führen.

Klar ist aber auch, dass man in Russland erfinderisch und anpassungsfähig ist und man wird hier alles daran setzen, dass man die russische Luftfahrt noch Jahre am Laufen halten kann und sei es nur um den Anschein aufrecht zu erhalten.

Auch wenn russische Airlines aktuell noch fliegen und man hier immer betont, dass alles normal ist, ich würde wetten, dass dies schon lange nicht mehr so ist. Meine große Sorge für diese Industrie ist aber, dass man sich nun in den kommenden Jahren wieder den Ruf erarbeitet, den man in den 80er Jahren hatte. „Ja mit Airlines aus Russland kann man fliegen, aber sicher ist das nicht. Aeroflot ist die unsicherste Airline der Welt!“

Die Sanktionen haben die russischen Airlines an die Wand gestellt und Jahrzehnte zurück geschlagen, aber bis man diesen Effekt wirklich deutlich und unwidersprechlich sehen wird, wird es wohl noch Jahre dauern.

10 Kommentare

  1. Die russische Luftfahrt wird frühestens dann zusammenbrechen, wenn keine Flugzeuge mehr in der Türkei landen dürfen. Ich glaube nicht, daß bei einem Aufenthalt dort nur „kleinere Wartungsarbeiten“ durchgeführt werden, wie man so kommuniziert.

  2. Da bricht nichts zusammen. Not macht erfinderisch, überall. Wir sind oft – und gern – in die Sowjetunion (nach Russland dann wegen der Unmenge neuer möglicher Reiseziele nicht mehr) gereist und durften wirklich originelle Workarounds sehen. Die Frage der Sicherheit ist dann natürlich schon eine ganz andere.

    Interessant wird die Entwicklung nach dem Krieg. Die Leasinggesellschaften haben die gestohlenen Flugzeuge nicht nachträglich zu verschenken. Die russische Wirtschaft ist völlig zerrüttet, egal, wie der Krieg ausgeht, für Neuanschaffungen dürfte das Geld sehr knapp sein.

    Ich bin gespannt.

    • Völlig konform mit dem ersten Absatz.
      „Die russische Wirtschaft ist völlig zerrüttet, egal, wie der Krieg ausgeht, für Neuanschaffungen dürfte das Geld sehr knapp sein.“
      Das bezweifle ich. Russland ist nicht so isoliert, wie uns unsere Medienlandschaft glauben lassen möchte. Da sind die verstärkten Bande, die gerade durch den Ukraine Krieg entstanden sind. China (und andere Nationen) haben eine hohe Motivation und Eigeninteresse RU zu unterstützen. Geldmangel? RU mit seinen Rohstoffen?

  3. Sanktionen sind ein Märchen, die werden nie bewirken, was unsere Regierung möchte. Sogar Nordkorea hat eine Fluglinie.
    Das Geld ist wie das Wasser, es findet immer einen Weg. Ersatzteile werden für die Russen teurer, das wird die einzige Auswirkung sein

  4. Hier und in anderen EU-Ländern werden Streiks -mit sämtlichen Flughäfen lahmgelegt bzw geschlossen – zur Normalität….. und man macht sich Sorgen über die Russischen Luftfahrtindustrie ?

    • Durch die ärgerlichen Streiks werden die Flugzeuge hier aber nicht fluguntauglich, durch die Sanktionen in Russland aber schon, wenn man die ursprünglich geltenden Standards anlegt. Sehe da einen Unterschied

  5. Wenn die Russen keine Ersatzteile mehr bekommen und diese ja offensichtlich über dritte beziehen, warum geht man da gegen nicht vor? Die Luftfahrt ist doch in dieser Hinsicht transparent und es muss alles dokumentiert sein. So sollte es ein leichtes sein, herauszufinden wo die Ersatzteile her kommen.

    • Wer aber könnte etwas dagegen unternehmen? Bzw wer hat Zugriff auf die Russischen Maschinen? Das sind von den US durchgesetzte Sanktionen. Da gibt es online Weltkarten, die eindrucksvoll zeigen, welche Länder sich nicht! an den Sanktionen beteiligen. Übrigens nicht einmal Israel. Es ist die überwiegende Mehrheit der weltweiten Staatengemeinschaft.

  6. Eine Reise durch Georgien allein schon zeigt, wie richtig die Vermutung ist, dass über Drittländer alles Mögliche nach Russland geliefert wird. Auf den Durchgangsstraßen jedenfalls sieht man kilometerlange LKW-Kolonnen mit georgischen, armenischen und azerbaidschanischen Kennzeichen. Der Logistikbereich boomt gerade im Kaukasus. Und nicht nur dort. Die Umgehung der Sanktionen einzuschränken, wird nicht gerade einfach werden…

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