Die Boeing 737 MAX ist ein gebranntes Kind und nach zwei kapitalen Abstürzen mit über 360 Todesopfern, wurde das Flugzeug weltweit gegroundet und Boeing musste fast zwei Jahre lang die Software nachbessern und ein erneuter Zulassungsprozess wurde durchlaufen.
Inzwischen hat die Boeing 737MAX wieder in Europa und den USA, sowie bei vielen anderen Aufsichtsbehörden die Zulassung erhalten und gilt inzwischen als eines der am besten geprüften Flugzeuge und damit auch als eines der sichersten, wenn man hier eine Abstufung machen will.
Dennoch kam es am 19. Dezember 2021 wieder zu einem Zwischenfall mit einer Boeing 737MAX8 von Air Canada, welche als AC234 von Vancouver nach Edmonton fliegen sollte. Beim Start hat das Flugzeug bei niedriger Geschwindigkeit damit begonnen die Nase automatisch zu heben. Die Crew konnte dies aber abfangen und konnte das Flugzeug sicher bei der eigentlichen Startgeschwindigkeit abheben lassen.
Dabei kommen bei diesem Zwischenfall schnell Gedanken an Parallelen zu den zwei Abstürzen in Äthiopien und Indonesien der Boeing 737MAX, bei welchen die Flusssteuerungssoftware MCAS die Flugzeuge fehlerhaft in einen steilen Sinkflug gebracht hat.
Im Falle von AC 234 lag der Fehler allerdings wohl nicht in der Flugzeugsteuerung, sondern in menschlichem Versagen, denn nach dem Flug wurde festgestellt, dass die Boeing 737MAX falsch beladen wurde. So zeigte der Ladeplan, dass 89 Koffer im vorderen Frachtraum der Boeing 737MAX hätten verladen werden sollen, allerdings waren alle Koffer im hinteren Frachtraum verladen worden.
Laut Aviation Herald wird dieser Zwischenfall gerade von der Airline untersucht, insbesondere weshalb diese fehlerhafte Beladung nicht vor dem Start aufgefallen ist.
Zwischenfall: Air Canada Boeing 737MAX8 hebt Nase beim Start von selbst bei niedriger Geschwindigkeit | Frankfurtflyer Kommentar
Zum Glück ist bei diesem Zwischenfall mit einer Boeing 737MAX niemand zu Schaden gekommen und bis auf einem Schreckensmoment im Cockpit ist wohl nichts passiert. Dennoch zeigt es, dass die wohl größte Gefahr beim Fliegen nicht die Maschine, sondern der Mensch ist, welcher hier offensichtlich Fehler gemacht hat.
Die Schwerpunktlage (Weight and Balance) ist bei Passagierflugzeugen auch entscheidend und eine falsche Balance des Flugzeuges kann katastrophale Folgen haben. Gerade bei kleinen Flugzeugen habe ich es daher schon erlebt, dass Passagiere vor dem Start umgesetzt werden mussten, da man vermeiden wollte Koffer umzuladen und damit den Start deutlich zu verzögern.
Hier dürfte wohl weniger der Faktor „Mensch“ als vielmehr der Faktor „Kosten sparen“ eine Rolle spielen. Wenn es einen Beladeplan gibt, dann muss es zwangsläufig eine Endkontrolle geben, die die Einhaltung des Beladeplans prüft und die Beladung freigibt. Diese Freigabe muss schriftlich fixiert und den Flugunterlagen beigefügt werden. Die Versuchung, sich dieser Kontrolle zu entziehen und Zeit und Geld zu sparen, muss kleiner sein als die persönliche Verantwortung der Beteiligten für die Einhaltung des Beladeplans. Strenggenommen darf die Umsetzung von Passagieren als Notbehelf nicht mal im Ansatz zur Debatte stehen. Allerdings ist das Gewicht der Passagiere im Normalfall nicht bekannt, weshalb der Beladeplan nur ein mangelhaftes Bild der Gewichtsverteilung im Flieger ergibt. Hinzu kommt die Verteilung des Bordgepäcks. Manche Passagiere tragen ein kleines Einfamilienhaus als Bordgepäck in den Flieger. In dem kommentierten Fall muss die Beladung ein wahres Desaster gewesen sein.
Das Umsetzen von Passagieren ist ein ganz normaler und zulässiger Vorgang. Die entsprechenden Gewichte sind Durchschnittsgewichte. Bei der Loadsheet bzw. W/B Berechnung sind Sicherheitspuffer hinterlegt. Wenn allerdings 90 Koffer entgegen dem Ladeplan im AFT statt FWD verladen werden, auf dem das L/S basiert, dann gibt es bei einer 737 merkbare Probleme… Die hat jetzt auch der verantwortliche Ramp Agent / Loadmaster
Umsetzen heißt z.B. man verliert u.U. den reservierten Platz. Das mag zulässig sein, aber ist für die Passagiere ärgerlich. Zum Thema Durchschnitt ein Hinweis vor vielen Jahren an der Tür eines Statistikprofessors an der Uni Hamburg: Mit den Füßen im Gefrierschrank und mit dem Kopf im Backofen hat man im Durchschnitt eine angenehme Körpertemperatur.
Dieser Kontrolle entzieht sich niemand, für jede Abfertigung gibt es einen Rampagenten, immer…dieser ist verantwortlich dafür, dass die Beladung korrekt ist und die Ladedaten korrekt an Loadcontrol weitergegeben werden, also identisch mit der tatsächlichen Situation vor Ort sind. Dafür muss er unterschreiben, ohne seine Unterschrift gibt es kein Loadsheet, ohne Losdsheet wird nicht geflogen. Hier, wie übrigens immer bei sicherheitsrelevanten Dingen wird nicht gespart, die Einhaltung von gesetzlichen und sicherheitsrelevanten Vorgaben muss immer gewährleistet sein.
Dann würde mich sehr interessieren, wie die Reaktion gegenüber dem Verantwortlichen für den Lademurks ausgefallen ist. Denn die Einhaltung der Vorgaben ist hier definitiv nicht gegeben gewesen.
Das mit dem Laden scheint durchaus kritisch zu sein.
Ein Bekannter arbeitete bis zum Beginn der Pandemie nebenberuflich als Ramp Agent (das wäre der Verantwortliche, die Einhaltung des Ladeplanes zu kontrollieren). Speziell aus den USA gab es nach der Landung wohl fast regelmäßig Beschwerden über die Beladung. Hauptsächlich ging es dabei wohl um Netze, die über das Ladegut gespannt werden.
Nie werde ich mich in einer 737 MAX befördern lassen. Die Design Grenzen sind hier weit überschritten worden. So sensible das Flugzeug darauf reagiert falsch beladen zu sein.
Als Ingenieur und Informatiker der schon mal in der Raumfahrt gearbeitet hat, verstehe ich nicht warum man so viel auf das MCAS gesetzt hat. Die Philosophie von Boeing war schon immer ein Flugzeug manuell fliegen zu lassen. Deswegen haben Boeing Flugzeuge den Steuerknüpel im Gegensatz zu Airbus, die auf das Fly by Wire System haben, wo der Bordcomputer die Steuerung der steuerflächen übernimmt. B737 war ein gutgebautes Flugzeug aber von Anfang an sehr niedrig gebaut. hat ja seine Vorteile, aber hat keinen Platz mehr für die Unterbringung von den neuen großen sparsamen Triebwerke. ein physikalisches Problem mit Software zu lösen finde ich ehrliche gesagt ein Tabu Bruch in der Luftfahrt. Nur Kampfflugzeuge sind gebaut, dass sie physikalisch nicht Flugtauglich sind aber die Software hält sie in der Luft. Dafür können sich die Piloten im Ernstfall in die Luft schleudern lassen.
Ich glaube, ich haqbe das schon einmal geschrieben. Ggf. mea culpa.
Eine Frage bei vielen amerikanischen Firmen ist die Aktionärsstruktur. Da stecken oft Pensions- und Bildungsfonds dahinter. Das klingt vielleicht niedlich, aber diese Fonds sind sehr unangenehme Aktionäre. Sie müssen halt mit den angelegten Mitteln die Pensionen zahlen oder meinethalben zum Unterhalt einer Privatuni beitragen. Die Höhe der Rendite ist quasi identisch mit der ausgezahlten Pension. Das ist ein ziemlicher Druck, den diese Fonds an die Betriebe weiterreichen. Als Ergebnis gerät die langfristige Entwicklung leicht zugunsten kurzfristiger Gewinne unter die Räder.
Bei der erfolgreichen 737 stand halt die Alternative zwischen einer teuren und langwierigen, dafür dann nachhaltigen Neuentwicklung oder einer kurzfristigen vergleichsweise billigen „Optimierung“.
Selbstverständlich ist den Ingenieuren klar, was der richtige Weg ist, aber das muss man erst einmal durchsetzen können.
Wenn 89 Koffer entgegen dem Losdsheet nicht im vorderen, sondern im hinteren Laderaum verladen sind, dann hat auch ein Flugzeug der A320 Familie ein Problem. Wir sprechen hier immerhin von gut 1,5 Tonnen, die falsch geladen wurden, bzw. falsch auf dem Loadsheet vermerkt sind, also wird ein Schwerpunkt angegeben, welcher der Realität nicht entspricht, möglicherweise befand sich der Schwerpunkt nicht mal mehr in den vorgegebenen Limits. Dieser Vorfall hat rein gar nichts damit zu tun, dass es sich um eine 737MAX handelt.
1.500.000 kg / 89 Koffer = 16.853kg pro Koffer. … der Laie wundert sich 😉
upps, … kommafehler, sorry
Zu Hinterfragen ist die Entscheidung der Crew, warum der Start nicht abgebrochen wurde. Ein Flugzeug hebt die Nase selbst noch unter der berechneten Abhebegeschwindigkeit. Das heißt irgendwas stimmt nicht, falsch getrimmt, Beladung was auch immer. Also Rejected Take-Off, Situation analysieren und gut. Der Artikel spricht von niedriger Geschwindigkeit, das Flugzeug war also auch nicht bremskritisch für einen Abbruch…verstehe die Entscheidung nicht. Kostendruck, Stress?
Die Geschwindigkeit ist nicht bekannt, es ist aber gut möglich, dass man schon jenseits von V1 war und hier ist ein Start die einzige Option. Die Crew hat den Vorgang sicherlich bewertet und man hat den Flug dann durchgeführt. Hier ist alles normal!