Boeing überzeugte Lion Air, dass kein Pilotentraining für die 737MAX Piloten benötigt wird

Boeing 737-Max-8.

Die Boeing 737MAX befindet sich nun seit fast einem Jahr am Boden und es sieht nicht so aus, als würden die Behörden dem Flugzeug bald wieder die Flugtauglichkeit bescheinigen. Dies alleine hat Boeing in eine riesige Krise geführt und es ist das am längsten andauernde Grounding eines Passagierflugzeuges seit Jahrzehnten.

Während Boeing versucht hat das Problem mit der Boeing 737MAX anfangs noch herunter zu spielen und mit einem schnellen und einfachen Software Update zu lösen, ist inzwischen klar, dass es ein größeres Thema wird und insbesondere ein Simulatortraining für alle Boeing 737MAX Piloten wird wohl als neue Auflage der Behörden weltweit kommen. Die 737MAX verfügt über neue Systeme, welche im Notfall sehr kritisch werden können, wenn die Piloten hierauf nicht gezielt geschult wurden.

Boeing hat es lange als „unique selling point“ für die Boeing 737MAX verkauft, dass man kein Simulatortraining für die Piloten benötigt, welche von der Boeing 737NG auf die Boeing 737MAX umsteigen. Eine einfache Selbstschulung der Piloten würde wegen den großen Ähnlichkeiten der Flugzeuge mehr als ausreichen.

Inzwischen empfiehlt selbst Boeing eine Simulatorschulung für Boeing 737MAX Piloten, was für die Airlines und den Flugzeugbauer ein größeres Problem werden wird, als gerne öffentlich zugegeben wird, denn nicht nur das Simulatortraining ist teures Unterfangen, es gibt aktuell schlicht und ergreifend viel zu wenig Simulatoren auf der ganzen Welt, um in absehbarer Zeit genug Piloten zu schulen um die 737MAX schnell wieder in den Linienbetrieb zu bringen.

Boeing wollte Simulatortraining für die 737MAX unter allen Umständen vermeiden

Boeing wollte unbedingt vermeiden, dass ein Simulatortraing nötig wird und das offensichtlich, obwohl es Bedenken innerhalb des Entwicklungsteams gab. So wurden nun an den Untersuchungsausschuss des Senats ein internes Boing Dokument überreicht, in welchem Emails und Chats von Mitarbeitern veröffentlicht wurden.

Besonders brisant war die Aufforderung der Vorgesetzten, dass Boeing umbedingt an der „kein Simulator Training für die MAX“ Politik unbedingt festhalten soll. Man würde sich mit jeder Aufsichtsbehörde anlegen, welche diese Auflage macht und das, obwohl Boeing Mitarbeiter die 737MAX intern als „Scheiß Design“ bezeichnet haben und auch sagten, dass „sie ihre eigene Familie nicht in eine 737MAX setzen würden“.

Nun wurde auch ein Chat veröffentlicht, welcher Boeing in einem noch schlechteren Licht erscheinen lässt, denn man hat Lion Air davon überzeugt, dass ein Simulatortraining unnötig sei. Inzwischen geht man davon aus, dass ein Simulatortraining der Piloten den Absturz der Lion Air Boeing 737MAX hätte verhindern können, wenn die Piloten das MCAS gekannt hätten.

2017 ist Lion Air auf Boeing zugekommen und teilte mit, dass man gerne einen Boeing 737MAX Simulator hätte um die Piloten zu trainieren, was Boeing nicht gefallen hat.

Boeing Mitarbeiter diskutierten dies intern in sehr bedenklicher Art und Weise:

„Nun braucht die unfassbare Lion Air vielleicht einen Sim um die MAX zu fliegen und das wegen ihrer eigenen Dummheit! Jetzt muss ich mir überlegen, wie ich sie davon abbringe. Idioten!“

Die Antwort des Kollegen:

„WTF??? Ihre Schwester Airline (Garuda Indonesia) fliegt die MAX doch schon.

Wenige Tage später schrieb der technische Testpilot von Boeing, dass er Lion Air von dem Simulator abbringen konnte und gibt mit seiner Überzeugungskraft an:

„Es scheint so, als würden meine Jedi Tricks immer noch funktionieren.“

Zusätzlich wurde eine Email angehängt, welche wohl an Lion Air gesendet wurde.

„Ich bin besorgt, dass wenn Sie sich dazu entscheiden, ein Pilotentraining im Simulator für Ihre Piloten verpflichtend zu machen, es dazu führt, dass die anderen Aufsichtsbehörden dieses schwierige und unnötige Training auch zur Auflage an andere Airlines manchen, da dies auch einen Präzedenzfall für ihre Region und andere MAX Kunden schaffen würde.“

Im Klartext: Boeing wollte kein Simulatortraining, da bei Bedenken von Airlines dies doch eine Auflage werden könnte, was man in Seattle vermeiden wollte, um die Kosten für die Boeing 737MAX zu senken.

Boeing überzeugte Lion Air, dass kein Pilotentraining für die 737MAX Piloten benötigt wird | Frankfurtflyer Kommentar

Für Boeing ist die 737MAX ein wahres Desaster und besonders der Imageverlust des Flugzeugbauers ist enorm. Inzwischen ist klar, dass viele Entscheidungen von Boeing besonders aus Profitsicht getroffen wurden. Besonders mit den nun aufkommenden internen Dokumenten wird es für Boeing wirklich unmöglich, aus dieser Situation mit erhobenem Haupt heraus zu gehen.

Danke: OMAAT

4 Kommentare

  1. Abend Christoph,

    das meinte ich mit meinem Kommentar (Greed & Bonigeil)zum Rücktritt CEO Boeing:

    „… Boeing besonders aus Profitsicht getroffen wurden…“

    Ich hab in plc’s und für CEO’s gearbeitet, der Tenor (ohne nun alle zu verurteilen) in der Topetage ist leider sehr oft die Budgets um jeden Preis(!)zu erreichen damit u.a.der Boni zu 100% ausgezahlt wird.
    Rücktritt ist und bleibt für mich „the easy way out“!Er und gewisse andere Topmanager (ähnlich Dieselskandal VW/Audi) müssten persönlich haften, schliesslich sind über 300 Menschenleben dabei gestorben und ein Konzern am Boden.Schon schlecht wenn man,auch bei beachtlicher Grösse des Konzerns, nicht weiss was im eigenen Laden läuft! Wie das mit der Haftung in den USA im Detail aussieht-no idea!?
    Insgesamt bleibt es dabei:Teilweise sehr bedenkliche Entwicklungen-safe travels for everyone!

  2. Unfassbar, wie leichtfertig aus Profitgier Menschenleben auf das Spiel gesetzt wurden. Ist das nun Mord oder vorsätzlicher Todschlag oder Beihilfe zu……?

    • Ich finde es auch schockierend, glaube aber nicht, dass es Mord, etc. ist. Vorsätzlich im Sinne von (Ich will jetzt jemanden töten) passiert ist.

      Ich bin kein Jurist, aber grundsätzlich sollte man sich bei solcher Fahrlässigkeit mal über Strafrechtliche Konsequenzen unterhalten müssen. Aber das passiert wohl gerade in den USA. Was aber auch klar ist, dass hat nicht nur einer „Verbockt“, der jetzt den Kopf abgeschlagen bekommt, sondern es war eine eindeutige Teamleistung von Boeing. :(.

      LG
      Christoph

  3. „Süss“ ist auch die amerikanische Justiz in diesem Fall. VW-Manager sitzen wegen gefälschter Abgaswerte für Jahre im US-Knast und US-Amerikaner, die 300 Tote auf dem Gewissen haben, können jeden Abend in ihrer Stammbar zur Happy-Hour feiern. Bin mal gespannt, ob überhaupt jemand in dieser Sache angeklagt wird. Ist ja auch ein US-Vorzeigeunternehmen.

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