Lübeck Air | Kommt wieder Qualität auf die Kurzstrecke?

Foto: Lübeck Air

Mit etwas Corona-bedingter Verspätung ist eine neue Fluggesellschaft in Deutschland an den Start gegangen. Im vergangenen Monat hob eine ATR der Lübeck Air in Richtung München ab. Die kleine Airline fällt ganz schön aus der Reihe. Ein solches Vorhaben in diesen Zeiten durchzuziehen scheint verrückt. Das ganze passiert zudem mit viel Komfort und Service für den Fluggast – zu marktüblichen Preisen. Kann das gut gehen?

Lübeck Air | Das Konzept

Ganz neu ist Lübeck Air nicht, die Gründung war bereits 2016. Es wurden Charter- und Geschäftsflüge mit einer Dassault Falcon 7X angeboten, im letzten Jahr wurden dann Pläne für eine Linienverbindung vorgenommen. Dafür wurde eine ATR beschafft – diese wird so wie die Dassault Falcon von der dänischen Air Alsie betrieben. Lübeck Air selbst verfügt über kein eigenes Air Operator Certificate.

Die ATR72-500 wurde gebraucht gekauft und umfassend modernisiert. Das außergewöhnliche dabei ist die Bestuhlung. Normalerweise installiert man auf der Turboprop-Maschine 72 Passagiersitze, Lübeck Air hat nur 60 verbaut. Somit ergibt sich ein großzügiger Abstand von 35″ oder 89cm- der Branchenschnitt liegt bei etwa 10cm weniger.

Foto: Lübeck Air

Das Prinzip setzt auch sonst auf Qualität. An Bord gibt es eine Klasse, zur Buchung werden drei Tarife angeboten. Diese unterscheiden sich hauptsächlich in der Flexibilität des Tickets. Gepäck und Bordservice ist für alle Passagiere inklusive. Im hochwertigsten Tarif „Diamant“ sind Stornierung und Umbuchung kostenfrei, zusätzlich werden Voucher für Loungebesuche vergeben, am Flughafen Lübeck wird Valet Parking angeboten.

Stolz ist man auf den inkludierten Service an Bord. Dafür gibt es sogar eine eigene Küche in Lübeck, dort wird Wert auf regionale Produkte gelegt. Mit weiteren Dingen wie speziell konzipierte Kuschelkissen oder eigenen Kindersitzen will man bei den Kunden einen positiven Eindruck hinterlassen.

Die ersten Ziele aus der Hansestadt Lübeck sind München und Stuttgart. Dabei wird die bayerische Landeshauptstadt im doppelten Tagesrand bedient, mittags geht es für die ATR dann nach Baden-Württemberg. Die Einstiegspreise für einen oneway-Flug liegen bei etwa 100€, im Diamant-Tarif geht es auf knapp 400€ hoch.

Lübeck Air | Kann das Konzept Schule machen?

Airline-Chef Jürgen Friedel zeigt sich mit dem Start auf der Linie zufrieden. Er ist überzeugt von dem Konzept und setzt voll auf Qualität. Geschäftskunden zeigen sich noch etwas zurückhaltend, es gibt aber bereits viele Gäste die zu touristischen Zwecken unterwegs sind. Der Manager war vor kurzem im Interview im neuen Podcast-Format „Luftraum„.

Auf längere Sicht kann man sich ein Codeshare-Abkommen mit anderen Airlines vorstellen. Wunschkandidat wäre die Lufthansa, Lübeck Air könnte als Zubringer für den Platzhirsch in München fungieren.

Das Feedback der ersten Fluggäste sei äußerst positiv. Niemand erwartet einen so großzügigen Sitzabstand und schon gar nicht frisches Essen, welches kostenlos serviert wird. Genau das könnte die Chance für den Newcomer sein. Zudem sieht Lübeck Air sieht das Einzugsgebiet von Lübeck als Vorteil, man sei auch schnell in Hamburg oder an der See.

Lübeck Air – Kommt wieder Qualität auf die Kurzstrecke? | Frankfurtflyer Kommentar

Es scheint waghalsig in dieser Zeit mit einer Airline an den Start zu gehen. Besonders wenn es sich um ein Nischenprodukt handelt. Oder ist genau das die Chance? In erster Linie will man bei Lübeck Air mit Qualität überzeugen, alles was früher auf Kurzstreckenflügen normal war, ist Teil des Produktes.

Billigflieger haben den Markt drastisch verändert, die großen Netzwerkairlines haben sich in den letzten Jahren dem angepasst. Kleine Flugzeuge mussten weichen, es funktioniert nur noch mit Masse. Dabei wurden Maschinen immer enger bestuhlt und die Bodenzeiten verkürzt, Verpflegung zurückgefahren oder eingestellt und Freigepäck abgeschafft. Für weitere Bestandteile wie Reservierungen wird zur Kasse gebeten.

Lübeck Air versucht es mit dem Gegenteil. Dabei will man bei den Preisen in etwa mit der Bahn mithalten. Ob es funktioniert, wird sich zeigen.

 

 

9 Kommentare

  1. Toll! München – Lübeck… Das ist eine Ansage! Wer jemals nördlich von HH wollte, weiß ein solches Angebot zu schätzen. Ich werde 2021 sicherlich die Strecke nutzen. Vor allem mit ATR 72-500 hat man das perfekte Fluggerät. Wer nur Jets geflogen ist, kann sich kaum vorstellen, wie großartig dieses Produkt ist. Ich bin mit einer ATR der Malaysian in Borneo schon im Tropensturm unterwegs gewesen. Das war sehr vertrauenserweckend……

  2. Ich fliege regelmäßig MUC-HAM, muss aber eigentlich nach Lübeck. Wenn es von den Zeiten her passt, hoffe ich spätestens im Dezember das Angebot ausprobieren zu können. Berichte dann gerne.

  3. Ich musste vor ein paar Tagen aus persönlichem Anlass für einen Tag nach München, und habe mich sehr gefreut, dass ich von Lübeck aus fliegen konnte, genug Zeit für alles in München hatte und am selben Tag abends zurück konnte. Das war eine enorme Zeitersparnis für mich, denn nach Hamburg brauche ich über eine Stunde, zusätzlich geht das Einchecken in Lübeck deutlich schneller.
    Auf dem Rückflug am Abend ebenso: kaum gelandet, ist man in 5 Minuten im Auto, der Parkplatz ist direkt vor der Ankunfts- bzw. Abflughalle.
    Der Service an Bord war toll, die Freundlichkeit und Herzlichkeit des Personals war besonders schön!

  4. Hallo, ich bin eigentlich sehr skeptisch, dass Lübeck Air „am Massenmarkt vorbei“ reüssieren möchte. Aber je mehr ich einige positive Kommentare auf der Website lese, um so mehr kann ich mir vorstellen, dass es vielleicht so AUCH funktionieren kann. Zumal die Airline auch für den Norden von Meck-Pomm interessant ist: Wer in Rostock oder Stralsund lebt und morgens vor 9 in München sein will oder nach Stuttgart muss, für den ist tatsächlich LBC erste Wahl.
    Die Airline wird sich wohl am Ende etablieren.
    Spannend wird mittelfristig die Frage, ob der Flughafen selbst mit Preisen ab 98€ auf seine minimum 700.000 PAX kommt. Zumal unklar ist, ob man noch andere Airlines aquirieren kann. Anyway, zur Not wird Lübeck Air wohl noch eine Bronze-Klasse einführen (müssen) – ohne Koffer, mit weniger Essen und noch weniger Flexiblität.

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