Die Strategie der Lufthansa Gruppe ist recht einfach, denn man versteht ganz Europa als seinen Heimatmarkt und will hier eine Größe erreichen, mit welcher man mit den Airline Riesen aus den USA und Asien wirtschaftlich mithalten kann. Hierfür hat man ein „Multi Airline System“ entwickelt, welches mit unterschiedlichen Hubs und Marken in den verschiedenen Ländern Europas beheimatet ist, aber in Summe doch eine Airline darstellen soll, um Synergien zu nutzen.
Hierfür hat Lufthansa in den letzten zwei Jahrzehnten eine ganze Reihe von Airlines übernommen, von SWISS über Austrian Airlines, Brussels Airlines, Eurowings (aus der dann Germanwings und später wieder Eurowings wurde) bis hin zu zuletzt auch ITA Airways in Italien. Hierbei war immer klar, dass man die Mehrheit an den Airlines haben wollte und vor allem langfristig auch immer mit dem Ziel 100% der Anteile zu besitzen.
Aktuell ist das größte Projekt von Lufthansa wohl die Übernahme von ITA Airways, welche man perspektivisch in einigen Jahren auch zu 100% übernehmen will. Diesen Deal durch zu bekommen war aber nicht gerade einfach und mit mächtigen Schmerzen verbunden, denn Monate verhandelte man vor allem mit den EU Wettbewerbshütern über die Zugeständnisse, die Lufthansa und ITA Airways machen müssen. Hierbei forderte man in Brüssel teils massive Eingriffe in das Geschäftsmodell von Lufthansa und forderte wohl sogar die Aufgabe von Langstrecken in Frankfurt und München, wo der Lufthansa Vorstand eine rote Linie skizzierte.
Aus der ITA Übernahme hat man wohl einiges gelernt und vor allem wie schwierig es wäre eine weitere Übernahme in Brüssel genehmigt zu bekommen. Allerdings geht die Konsolidierung in Europa im vollem Gange weiter und Übernahmekanidaten gibt es einige. Neben TAP und Air Europa, steht wohl auch zumindest ein Anteil von Air Baltic im Schaufenster.
Interessiert ist man in Frankfurt wohl grundsätzlich an allen drei Airlines und teilweise sind diese von strategischer Bedeutung für Lufthansa. So gilt TAP als Brasilien und Südamerika Spezialist in der Star Alliance und gerade in Südamerika ist man extrem schlecht in der Allianz aufgestellt. Hier könnte auch Air Europa mit den guten Anbindungen nach Südamerika helfen.
Air Baltic wiederum ist für Lufthansa aktuell als Wet Leasing Partner von entscheidender Bedeutung und es sieht so aus als könnte kurzfristig fast die halbe Air Baltic Flotte für die Lufthansa Gruppe zum Einsatz kommen. Schon alleine deshalb ist hier eine Beteiligung an der Airline, die sich in lettischem Staatsbesitz befindet, recht wahrscheinlich.
Aus den letzten Übernahmen in Europa hat man in Frankfurt viel gelernt und offensichtlich will man sich nun erst einmal Air France und KLM zum Vorbild nehmen, die mit einer 19,9% Beteiligung an SAS, das Gründungsmitglied der Star Alliance im Eiltempo in die SkyTeam Allianz geholt hat. Lufthansa hat damals SAS einfach ziehen lassen, aber bei TAP ist man hierzu wohl nicht direkt bereit.
Die LH Group hat wohl schon Gespräche in Lissabon, Madrid und auch Riga geführt, welche teilweise schon mit einer Absichtserklärung gleichgesetzt werden können. Hierbei plant man wohl immer einen Minderheiteneinstieg von unter 20%, also im Bereich von 19,9%.
Dabei ist dies eine sehr magische Zahl, denn eine Beteiligung von 19,9% muss nicht von den Wettbewerbshütern genehmigt werden, allerdings sieht man bei SAS, dass dies mehr als ausreichend ist um klaren, strategischen Einfluss zu nehmen und genau darum geht es wohl im ersten Schritt. Lufthansa wäre, wenn man sich mit den Eigentümern einigt, also in der Lage, sich recht schnell an Air Baltic, Air Europa und TAP Air Portugal zu beteiligen.
Der Einstieg bei TAP Air Portugal und Air Baltic wäre sogar recht einfach zu gestalten, denn man muss sich hier „nur“ mit der Regierung in Riga und Lissabon einigen, welche die Airlines aktuell besitzen und privatisieren wollen.
Bei Air Baltic wird es vermutlich darauf hinauslaufen, dass Lufthansa 19,9% (oder weniger) an der Airline kauft und gleichzeitig weitere Anteile an der Börse in Riga platziert werden, wodurch sie vermutlich in den Streubesitz gehen. Es ist davon auszugehen, dass im ersten Schritt der lettische Staat Mehrheitseigentümer von Air Baltic bleibt, was auch Lufthansa Optionen in der Zukunft offen lässt.
Bei TAP ist das Spiel wohl sehr ähnlich und Lufthansa könnte 19,9% an der Airline übernehmen. Der Staat will zumindest als Minderheiteneigentümer mit an Bord bleiben und hier könnte auch noch ein Finanzinvestor mit an Bord kommen.
Air Europa ist aktuell zu knapp unter 20% in Besitz von der British Airways Muttergesellschaft IAG und zu 80% von dem spanischen Reiseunternehmen Globalia, die die Airline gerne verkaufen würden. Das wahrscheinlichste Szenario hier wäre wohl, dass Lufthansa die Anteile von British Airways kauft und Globalia die restlichen 80% weiter hält oder auch ein Dritter mit an Bord kommt.
Strategische Beteiligung anstelle von kompletten Übernahmen
Aktuell gibt es einige Chancen bei der Konsolidierung in Europa und diese will man bei Lufthansa wohl nicht einfach ziehen lassen. TAP, Air Europa und Air Baltic sind hierbei nicht die einzigen Kandidaten, aber für Lufthansa offensichtlich die relevantesten. So braucht man Air Baltic als Wet Leasing Partner in der Europastrategie und TAP, sowie potentiell auch Air Europa spielen im Südamerika Geschäft eine große Rolle.
Nach den Erfahrungen, die man bei der ITA Übernahme durch Lufthansa und der SAS Übernahme Beteiligung durch Air France/KLM in den letzten 2 Jahren gemacht hat, kristallisiert sich immer mehr heraus, dass man aktuell vor allem mit strategischen Beteiligungen schneller an das Ziel kommt und hier wäre es für Lufthansa möglich sehr schnell einen Fuß bei den Airlines in die Tür zu bekommen.
Theoretisch könnte sich Lufthansa binnen weniger Wochen oder Monate an allen drei Airlines beteiligen und hier dann auch sehr viel wirtschaftlichen Einfluss und Kontrolle bekommen, ohne die Probleme und Risiken, die ein Kartellverfahren mit sich bringen würde.
Es würde bei allen drei Airlines auch direkt einen Fuß in die Tür bringen und Verhandlungen zu einer kompletten Übernahme in die Zukunft verlagern, wenn man zu dem Schluss kommt, dass dies einfacher sein könnte, denn auch wenn Kartellrecht eine juristische Disziplin ist, gerade die Prüfverfahren bei der EU sind hoch politisch und hier könnte sich die Stimmung durchaus ändern, wenn man z.B. in Brüssel zu der Auffassung kommt, dass drei große Airline Gruppen in Europa die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinentes mit den Airlines der Welt stärken würden.
Lufthansa könnte sich gleichzeitig mit je 19,9% an TAP, Air Baltic und Air Europa beteiligen | Frankfurtflyer Kommentar
Es ist durchaus ein Richtungswechsel bei Lufthansa, denn bisher wollte man Airlines immer möglichst zu 100% übernehmen und auch von einer staatlichen Beteiligung nichts wissen. Zu groß sah man hier das politische Risiko an. Inzwischen hat man wohl so wenig Lust (oder so großen Respekt) vor der EU Wettbewerbskommission, dass man diesen Standpunkt über Bord zu werfen scheint. Zumindest wenn man von verlässlichen Partnern bei den Mehrheitseigentümern ausgeht.
Für Lufthansa ist es aber wichtig, vor allem bei Air Baltic und TAP zu handeln, denn die Airlines will man sicherlich nicht an andere Mitbewerber verlieren, denn immerhin sind sie schon jetzt von großer, strategischer Bedeutung. Bei Air Europa sieht es wohl anders aus, aber man könnte hier das Südamerika Geschäft weiter stärken, was der Star Alliance durchaus helfen würde.
Es wäre doch auch eine Möglichkeit, dass sich einer der größeren Aktionäre der Lufthansa Group wie z.B. Kühne oder Blackrock ebenfalls an den Übernahmezielen beteiligt und man gemeinsam so schneller einen Anteil erreicht, der ausreichend Einfluss und ggfs. sogar Kontrolle sichert. Ich weiß nicht, wie das kartellrechtlich aussieht, doch glaube ich kaum, dass so etwas wie eine fiktive Konsolidierung der Anteile im kartellrechtlichen Sinne gibt – aber wer weiß.
es wird in deutschen Medien irgendwie verschwiegen aber besonders gut sieht es bei der Staatsairline AirBaltic nicht aus:
https://balticnews.com/aviation-expert-toomas-peterson-securing-air-baltics-future-requires-involving-a-core-investor/
noch ein Problemfall!
Wieso nicht LOT, die werden mit dem neuen Airport CPK extrem erstarken und liegen strategisch besser als Riga im sicherheits-kritischen Baltikum (Königsberg kann zum Problem werden)
Bekannter hat ein Ticket VNO-RIX-ATH und das erste leg wurde bereits storniert.
Es wäre an der Zeit, dass ihr mal aus eurer Sicht diese Airline mal genauer unter die Lupe nehmt, anstatt hier laufend Lobeshmynen anzustimmen auf BT…
Wir beschäftigen uns mit Air Baltic fast ausschließlich mit der Bedeutung als Wet Leasing Partner von Lufthansa. Auch nur in dieser Rolle wird die Airline aktuell wirklich bedeutsam für LH sein. ABER tatsächlich könnte ein Anschluss von Air Baltic an Lufthansa deutlich der Airline selbst und den eigenen Flügen helfen.
sofern sie kein Sanierungsfall wäre, was ja wie oben im link beschrieben nicht unwahrscheinlich ist!
Mit Sanierung kennt man sich bei LH ja durchaus aus. Die Frage ist eher wer die Rechnung bezahlt.
Aber man sollte auch nicht vergessen, dass SWISS als man begonnen hat sie zu übernehmen, dunkel rote Zahlen geschrieben hat.
Für solche Scherze hat die Lufthansa Group doch gar kein Geld, man braucht das Geld dringend für die Modernisierung der Kabinen und Flotten und nicht für Finanzbeteiligungen. Die Lufthansa AG hatte 2023 rund 8 Milliarden Schulden netto.
Bekanntermaßen kann man Geld in fast beliebiger Menge erschaffen und gerade wird es ja auch günstiger. Es ist ja auch nicht gesagt, dass das Geld für diese Investitionen aus dem Cash Flow kommen soll.