Von leeren Sitzen und Bleigewichten: Allegris könnte für Lufthansa zum Desaster werden

Provisorische Economy Sitze im First Class Bereich, Foto: Robert

Die Lufthansa steckt in einem bedeutenden Umbau ihrer Kabinen, um sich im Wettbewerb mit anderen internationalen Airlines besser zu positionieren. Dabei setzen Kranich und andere Konzernairlines große Hoffnungen in das neue Allegris Kabinenkonzept, welches höhere Standards in allen Reiseklassen verspricht. Doch gerade dieses Vorzeigeprojekt stößt immer wieder auf Herausforderungen, der Zeitplan hinkt gewaltig hinterher.

Es sind inzwischen schon 13 Dreamliner, die derzeit in den USA zur Auslieferung bereitstehen. Laut dem „Spiegel“ befinden sich zwei weitere Boeing 787-9 kurz vor der Fertigstellung. Bei den Jets handelt es sich um moderne und spritsparende Flugzeuge, mit denen Lufthansa die Flotte verjüngen und die Margen ankurbeln könnte. Alle werden mit den neuen Allegris Sitzen ausgestattet, die für ein besseres Reiseerlebnis sorgen und die Kundenzufriedenheit steigern sollen.

Lufthansa Allegris Business Class Doppelsuite, Foto: Robert

Was die Einflottung der Boeing-Modelle angeht ist derzeit aber Stillstand angesagt. Die Sitze nicht nach wie vor nicht behördlich zugelassen. Dadurch läuft die Erneuerung der Flotte und die Einführung von Allegris schleppend. Diese ist ohnehin auf ziemlich dünnem Eis, da die neuen Kabinen sehr komplex zusammengestellt werden. Lufthansa arbeitet bei der Kabinenausstattung mit mehreren Zulieferern zusammen. Stelia Aerospace, Collins Aerospace und Thompson Aero liefern Business-Class-Sitze, das deutsche Unternehmen Zim Aircraft Seating liefert Premium-Economy-Sitze und Recaro Aircraft Seating stattet die reguläre Economy Class aus.

Inzwischen sind auch die von Thompson Aero gebauten First Class Suiten unterwegs, diese sind allerdings erst in zwei Airbus A350-900 installiert. Fünf Allegris Jets wurden notdürftig ohne die Luxussuiten in Betrieb genommen- auch hier fehlte zunächst die Zertifizierung. Insgesamt sind also derzeit erst sieben Maschinen mit dem neuen Interieur in Betrieb. Nach ursprünglichen Plänen hätten es jetzt über 40 sein sollen.

Interimspläne: Nutzung mit Einschränkungen?

Die US-Luftfahrtbehörde FAA verweigert die Zulassung der von Collins Aerospace gefertigten Business-Class-Sitze im Dreamliner. Grund dafür ist ein fehlgeschlagener Crashtest, bei dem die Sitze Belastungen bis zum 16-fachen der Erdanziehungskraft nicht ausreichend standhielten. Ohne diese Zertifizierung dürfen die Flugzeuge nicht ausgeliefert werden.

Die Folgen sind erheblich: Die betroffenen Maschinen stehen am Boden, und die endgültige Zulassung der Sitze wird frühestens im Sommer 2025 erwartet. Ein Szenario, bei dem die Sitze gar keine Zulassung erhalten, ist nicht ausgeschlossen. Lufthansa erwägt daher, einige der betroffenen Maschinen vorzeitig nach Frankfurt (FRA) zu holen. Dabei könnten die Business-Class-Sitze unbesetzt bleiben, während Economy- und Premium-Economy-Sitze regulär genutzt würden. Eine solche Lösung wäre jedoch mit operativen Einschränkungen verbunden, zahlreiche Plätze müssten leer bleiben, die teuren Business Sessel könnten nicht verkauft werden.

Lufthansa muss in neuen Boeing 787-9 wohl Business Class Sitze sperren, um das Flugzeug fliegen zu dürfen

Einschränkungen gibt es schon heute

In den bereits ausgelieferten Allegris Flugzeugen gibt es immer noch Restriktionen. Es ist zum einen die First Class, die in fünf Flugzeugen fehlt. Dort wurden vorübergehend Economy-Sitze eingebaut, die allerdings nicht vergeben werden dürfen. Die Sitze sind behördlich vorgeschrieben, damit man sich z.B. bei auftretenden Turbulenzen oder einem Druckverlust festhalten oder rasch hinsetzen kann.

Auch Mitten in der Kabine ist eine komplette Reihe nicht nutzbar. Es handelt sich dabei um sieben Economy Class Sitze, die auch mehr Beinfreiheit bieten und mit Aufschlägen verkauft werden könnten. Die Plätze werden nicht vergeben und müssen während des Fluges freigehalten werden. Vermutlich handelt es sich auch auch hier um ein fehlendes „Go“ der Behörden.

Leserinnen und Leser haben uns auch schon davon berichtet, dass in der Business Class einer der Sitze frei bleibt, um im Notfall während des Fluges darauf zugreifen zu können. Es scheint auch schon diverse Schäden zu geben, die nicht schnell genug behoben werden können. Stellenweise sind die Einrichtungen schon jetzt abgenutzt oder gar zerstört.

Bleigewichte bei SWISS

Auch innerhalb des Lufthansa-Konzerns treten Probleme mit der neuen Kabine auf. Die Lufthansa-Tochter SWISS muss wohl im Airbus A330-300 Bleigewichte einbauen, um die durch die neue Kabine veränderte Gewichtsverteilung auszugleichen. SWISS wird ein identisches Produkt einbauen lassen, dieses aber Swiss Senses nennen. Lediglich bei Farben und Optik werden sich diese von der Lufthansa Hardware unterscheiden.

Swiss wird auch die „Allegris Business Class“ einführen, aber in einer andere Farbe.

Die Allegris-Kabine zielt darauf ab, insbesondere in den Premiumkabinen ein hochwertigeres Reiseerlebnis anzubieten. Langfristig plant der Konzern die Premium Economy zu erweitern, da diese Klasse besonders profitabel ist. Trotz weniger Business-Class-Sitzen hofft man, durch das modernisierte Produkt höhere Preise (u.a. auch durch Reservierungsentgelte) und eine gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit zu erzielen. Die Einführung läuft aber nicht rund.

Von leeren Sitzen und Bleigewichten: Allegris könnte für Lufthansa zum Desaster werden | Frankfurtflyer Kommentar

Lufthansa steht vor erheblichen operativen und strategischen Herausforderungen. Während die Einführung der Allegris-Kabine nur langsam Fortschritte macht, werfen Zulassungsprobleme und logistische Hindernisse den Zeitplan zurück. Das Unternehmen muss nicht nur diese technischen Schwierigkeiten bewältigen, sondern auch die Kundenerwartungen an ein Premiumprodukt erfüllen.

Bei Lufthansa steht man hinter Allegris, etwas anderes bleibt den Verantwortlichen in der Chefetage aber kaum übrig. Ich würde gerne wissen, was in den Krisenmeetings wirklich besprochen wird und ob ein Szenario existiert, doch einen Sitz von der Stange zu holen. Dieser wäre nicht so fehleranfällig und könnte zügiger eingebaut werden.

Der Blick in die Zukunft sieht nicht unbedingt rosig aus. Große Teile der Bestandsflotte müssen umgebaut werden, neue Probleme sind beim sogenannten Retrofit nicht unwahrscheinlich. Die Umrüstung der Boeing 747 kann wohl nicht auf einmal erfolgen, bei SWISS soll die schwere Bleiplatte kommen. Beim Airbus A380 hat man bereits entschieden, beim Umbau auf Allegris zu verzichten und auf ein anderes bewährtes Produkt zu setzen.

 

 

Danke: Simple Flying, Spiegel

21 Kommentare

  1. Ich bin mit Allegris nach PVG geflogen und hatte einen „Thron“Sitz. Ich hab mich gar nicht wohl gefühlt – total eng, korpulente Menschen können den Sitz wegen des engen Zugangs nicht erreichen. Im Liegen ist man eingesperrt, kann die Knie nicht anwinkeln – furchtbar. Meine Partnerin hat den Fensterplatz, ebenfalls eng, keine Ablage für Geräte und Taschen. Ich fliege lieber mit anderen Airlines – so war der Rückflug mit Air China ebenfalls im A350 vom Sitzkomfort um Welten besser, am Fenster, wie auch am Gang Mitte

    • Sehr interessant und wertvoll dein Beitrag. Danke dafür. Habe mich gerade entschlossen diesen sch..ß SEN-Run nicht mehr zu machen, wenn mein Status 02/26 ausläuft. Hätte nie gedacht, dass es so gedrungen ist, weil es auf den Weitwinkel-Pics immer aussieht als wäre es die alte Business Class von SQ hoch 2 😉 Aber typisch für diese überhebliche Spohrität! Kannst du mir einen Tipp geben, welche Airline bzw. Allianz am meisten Sinn aus deiner Sicht macht? Dafür wäre ich dir sehr dankbar.

      • Das kann man pauschal leider nicht beantworten. Es kommt darauf an ob Du Rennstrecken hast, wie Du buchst und an welchem Flughafen Du wohnst. SkyTeam hat leider auch ziemliche Schwächen und oneworld bekommt diese zum Teil.

  2. Was haben die eigentlich seit 2017 gemacht? Das ist ein komplettes Organversagen. Herr Spohr sollte sich langsam Gedanken machen, ob er noch der Richtige ist. Seit seinem Antritt jagt eine Hiobsbotschaft die andere. Der Aktienkurs drückt es aus. Und den kostenlosen Kaffee in der Eco einsparen drückt diese Hilflosigkeit und das Unvermögen am Besten aus. Eine ehemals renomierte Fluggesellschaft wurde sehenden Auges an die Wand gefahren.

    • Herr Spohr wird sich kaum darüber Gedanken machen, ob er noch der Richtige ist. Wenn Menschen so überzeugt von sich sind wie er es zu sein scheint, passt das nicht ins Muster.

      Allerdings gibt es andere Leute, die sich diese Gedanken machen sollten – wie z.B. der Aufsichtsrat oder der größte Aktionär, Herr Kühne, der ja vor ein paar Wochen schon mal einen Brief an das Management geschrieben hat, dass er unzufrieden sei. Wenn der Druck nicht von dort kommt, wird der Herr Spohr die LH Gruppe weiter abwirtschaften.

  3. Ich Frage mich, warum solche Probleme mit Gewicht, Zulassung und Maßen, die ja ganz weit oben auf der Anforderungsliste stehen, in solchen Projekten nicht ausreichend beachtet werden können. Diese Sachen müssten doch ganz oben auf der Prioliste stehen. Mit entsprechenden Ausstiegsklauseln und Vertragsstrafen in den Verträgen mit den Zulieferern.

    • Naja. ganz einfach. Es wird für die First bei Swiss ein Hersteller des Sitzes beauftragt. Dieser verkauft einen Sitz mit einem Gewicht XY.

      Da weniger Gewicht Treibstoff spart, fanden das vermutlich alle gut. Nur hat bei Swiss niemand daran gedacht, dass dadurch das Flugzeug nicht mehr sauber ausbalanciert ist.

      Da kann niemand etwas für – außer Swiss 😀

      • Also nach allem, was ich zu diesem Thema an Berichten gelesen habe, sind die Sitze in der neuen Business Class und First Class zu schwer – nicht zu leicht.
        Deswegen sind die Ausgleichgewichte erforderlich
        Wenn das so stimmt, dann ist das ein Totalversagen in einer Branche, in der seit jeher jedes Gramm an Gewicht zählt und in Zeiten von „Nachhaltigkeit“ sowieso.

    • Dafür gibt es auch keine rationale Erklärung, nur entweder totale Unfähigkeit oder Größenwahn, nach dem Motto deutsche Ingenieure werden das schon irgendwie hinbekommen. Wirklich alle Airlines haben moderne Sitze eingebaut in Europa, nur Lufthansa bekommt es nicht hin.

  4. Es ist unglaublich, dass die Personen, die ein solches Desaster verantwortet haben, noch immer im Dienst der LH stehen – man hätte sie schon längst entlassen müssen und auf Schadensersatz verklagen müssen.
    Mit einem anderen Produkt wäre man seit Jahren wieder wettbewerbsfähig und dabei gibt es viele Alternativen, die alle zugelassen sind und damit nicht nur sofort verfügbar gewesen wären, sondern auch deutlich günstiger. Ich hätte mich gefreut, wenn man Recaro gewählt hätte aber auch die anderen Firmen haben schöne Sitze, wie man bei besser geführten Airlines sehen und spüren kann. Und dass man nun den kostenlosen Kaffee wieder streichen will, um die Passagiere wieder zu mehr BoB zu drängen ist auch peinlich – da ist man auf kurzen Flügen bis zu Mittelstreckenflügen inzwischen bald wieder auf Ryanair / Easy Jet Niveau angekommen. Dann kann ich aber auch für € 70,00 nach Stanstead fliegen statt für € 450,00 nach Heathrow….

  5. Bleigewichte, alte BIZ im 748 Oberdeck, 1,5 Sitze in First in der Mitte – LH ist echt nicht mehr zu helfen…..wer hat sich denn den ganzen Scheiss ausgedacht- waren die vom Projekt eigentlich alle ***?

    Ertragsmaximierung bis zum Erbrechen wird fehlschlagen, das rafft ja kein normaler Kunden und Vielflieger wissen, dass das Allegris Sitzkonzept nix taugt. Da hat ne Unternehmensberatung ganze Arbeit geleistet beim Pricimg Konzept, LH nicht gemerkt wie weltfremd das ist, aber man kennt die Konkurrenz ja auch nicht, und die Kundenwünsche auch nicht.
    Nur arm…..LH braucht man echt nicht mehr….

    In unserem Konzern wäre sowas nicht durchgegangen…bzw. hätte schon längst Konsequenzen gehabt.

  6. Entschuldigung, aber Allegris könnte nicht zum Desaster werden, es IST ein Desaster. Die Mehrheit der Kunden fliegt weiterhin in alten, klapprigen Sitzen in ebenso alten Maschinen. Während andere Airlines sich weiter entwickeln, wird sich bei LH auch auf lange Sicht außer immer absurderen Preisen bei immer weniger Leistung nichts ändern.

  7. Das beste was LH machen kann wäre JETZT noch aus dem ganzen Allegris Chaos auszusteigen und ein gutes Produkt von der Stange zu kaufen.

    Ich könnte mich ja immer darüber amüsieren, wie man sich dafür rühmt, kleinste Plastikteile gegen papier zu ersetzen und dann einfach Tonnenschwere Bleiplatten zu verbauen damit Mass and Balance stimmt… Das ganze Allegris Thema ist wirklich nur eine Farce.

    SEN

  8. Was man nicht vergessen sollte bei der ständig schrumpfenden First und Business ist die damit auch einhergehende Entwertung von Upgrades für Vielflieger. Damit wird dann das Meilenprogramm auch noch unattraktiver als es eh schon ist. Und wenn man dann nicht direkt in FRA oder MUC ist, und sich über irgendeinen der Sub-Sub-Sub-Zubringerflüge freuen darf, dann kann man auch gleich eine andere Allianz fliegen…

    • Tja ich habe seit Jahren nen flying blue Konto. Als stolzer Angehöriger des Neuköllner Prekariats fliege ich eh nicht aus beruflichen Gründen (wer will denn in Almanya noch arbeiten?) und opportunistisch (ein p oder 2??) in C um die Welt. Nach Asien sind die chinesischen Airlines Welten besser, schneller und billiger. Nach Südamerika kann’s entweder die KLM/AF oder die Iberia. Von Berlin aus benötige ich die arrogante LH so wie ein Anus am Ellenbogen. Kann dicht machen, Europa hat sowieso fertig. EU ist bald tot, der Euro auch. Gut dass Ali nen zweiten Pass hat und akadämlich ist. Frohes Neues.

      • Sie wissen schon, dass D ein freies Land mit Reisefreiheit ist?
        Wenn hier alles so schrecklich ist und woanders alles Gold ist was glänzt: Also?????

        Hier ist bestimmt viel Verbesserungsbedarf, aber ich kenne nur ganz, ganz wenige Länder in den denen ich ev. leben möchte.
        Jeder ist seines Göückes Schmied.
        Reisende sollte man nicht aufhalten.

        • Mir gefällt es hier prächtig, leider sterben die arbeitsfähigen und -willigen Menschen weg, wandern aus oder parken ihr Leben in nem Chilljob. Bald geht hier nix mehr. Dann sollte man verschwinden. Korrekt

        • Mir gefällt es hier prächtig, leider sterben die arbeitsfähigen und -willigen Menschen weg, wandern aus oder parken ihr Leben in nem Chilljob. Bald geht hier nix mehr. Dann sollte man verschwinden. Korrekt

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