90 Sekunden zu spät: Ryanair-Fluggäste werden wegen Nachtflugverbot 250 km umgeleitet

Eine Boeing 737-MAX-8200 von Ryanair. Foto: Sebastian

Die deutsche Genauigkeit ist zumindest in der Luftfahrt noch erhalten geblieben. Welche kruden Auswüchse das haben kann, beweist ein Flug des Billgfliegers Ryanair von Gran Canaria (LPA) zum Flughafen Berlin-Brandenburg (BER). Ganze 90 Sekunden entschieden darüber, dass die Boeing 737-MAX-8200 zu einem 250km entfernten Flughafen umgeleitet wurde. In diesem Beitrag erfahrt Ihr, wie knapp es für die Urlauber von der Ferieninsel wurde.

Das Wichtigste auf einen Blick:
  • Nachtflugverbot: Deutschland hat strikte Nachtflugverbote, die zu unerwarteten Umleitungen führen können.
  • Umleitung nach Hannover: Der Ryanair-Flug FR2501 musste umgeleitet werden, da er nur 90 Sekunden zu spät war.
  • Busfahrt nach Berlin: Passagiere mussten nach der Landung in Hannover eine dreistündige Busfahrt nach Berlin antreten.

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Die deutsche Genauigkeit ist zumindest in der Luftfahrt noch erhalten geblieben. Welche ganz abscheulichen Auswüchse das haben kann, beweist ein Flug des Billigfliegers Ryanair von Gran Canaria (LPA) zum Flughafen Berlin-Brandenburg (BER). Ganze 90 Sekunden entschieden darüber, dass die Boeing 737-MAX-8200 zu einem 250 km entfernten Flughafen umgeleitet wurde. In diesem Beitrag schildern wir Euch das Protokoll dieses Wahnsinns.

Die Mehrheit der Flughäfen in Deutschland unterliegt einem Nachtflugverbot. Bis ins kleinste Detail ist geregelt, unter welchen Umständen von diesen Nachtflugverboten abgewichen werden darf. Im Notfall müssen Behörden mitten in der Nacht eine Entscheidung treffen, ob ein Flug landen darf oder nicht. Ein „Nein“, wie es knapper nicht hätte sein können, holte sich der Ryanair-Flug FR2501 ein.

Vier Mal pro Woche verbindet Ryanair unter der Flugnummer FR2501 die Insel Gran Canaria im Atlantischen Ozean mit der bundesdeutschen Hauptstadt Berlin. Der Flug ist mit einem spätesten Abflug um 16:50 Uhr auf Gran Canaria (LPA) so geplant, dass die Ankunft in Berlin kaum vom Nachtflugverbot betroffen ist. Dafür sorgt auch der hohe Pünktlichkeitsgrad von Ryanair.

Am Sonntag, den 5. Januar 2025 lief es aber nicht wie üblich. Die Boeing 737-MAX-200 mit der Registrierung 9H-VUR kam schon verspätet auf Gran Canaria an. Die geplante Abflugzeit konnte nicht eingehalten werden und der Rückflug verzögerte sich um fast zwei Stunden.

Als die Boeing 737 um 18:32 Uhr Ortszeit endlich ihren Flug zum Berlin-Brandenburg-Airport startete, war bereits klar, dass es ein Rennen gegen die Zeit wird. Wie knapp dieses Rennen gegen die Zeit würde, zeigen Daten auf, die das Fachportal AeroTelegraph.com recherchiert hat. Demnach befand sich die Ryanair-Maschine im direkten Landeanflug auf Schönefeld. Nur noch 3,7 Kilometer Distanz und 410 Meter Höhe trennten die Passagiere und die Landebahn des BER noch voneinander. Ganze 90 Sekunden hätte die Boeing noch bis zur Landung gebraucht, als die ihr die Stunde schlug.

Es war 0:00 Uhr. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) verweigerte der Cockpit-Crew die Landung. Die 737 musste durchstarten und sich einen Ausweichflughafen suchen. Der wurde auch mit dem 250 Kilometer entfernten Flughafen Hannover (HAJ) gefunden. Dort landete das Flugzeug um 0:36 Uhr.

Die Passagiere mussten laut einem Sprecher des Billigfliegers Ryanair mit dem Bus nach Berlin transportiert werden. Ein Umweg von drei Stunden. Mitten in der Nacht.

Ryanair-Fluggäste werden wegen Nachtflugverbot 250 km umgeleitet | Frankfurtflyer Kommentar

Es gibt viele sinnvolle Regelungen um die Personenluftfahrt. Ein Nachtflugverbot gehört sicher in vielen Fällen auch dazu. Aber dieser Vorfall ist wieder einmal ein Beleg dafür, welche kranken Züge die Regelwut in diesem Land mittlerweile angenommen hat.

Ja, man kann sicher in Frage stellen, ob Ryanair diesen Flug hätte wirklich noch antreten müssen. ABER, was klingt nach einer klügeren Entscheidung: Eine voll besetzte Boeing 737 MAX wenige Sekunden verspätet sicher landen zu lassen oder auf niedriger Höhe ein unnötiges Manöver wie einen Go-Around durchführen zu müssen?

Und dabei ist noch gar nicht der Aspekt berücksichtigt, dass man zusätzliche Busse organisieren muss, die über drei Stunden 250 Kilometer extra nach Berlin fahren.

Man kann dazu unterschiedliche Meinungen haben. Meine Meinung ist, dass das absolut krank ist und sogar unserem Wirtschaftsstandort schadet. Fluggesellschaften wie Ryanair überlegen sich drei Mal, ob sie unter solchen Bedingungen Deutschland auch zukünftig als Ziel in Betracht ziehen oder weiter Flugzeuge abziehen.

12 Kommentare

  1. Ein Nachtflugverbot dient ja dazu, den Geräuschpegel ab einer bestimmten Uhrzeit zu reduzieren oder gar abzustellen.

    In dem geschilderten Fall, mal von den 90 sec abgesehen und der zusätzlichen Emissionsbelastung durch ein Go Around und mind 3 Bussen, die von HAJ nach BER fahren, war die Lärmbelästigung für die Anwohner wesentlich höher durch das Geben von Vollschub zum GA, als wenn das AC gelandet wäre!

    I. d R. entscheidet darüber nicht ATC, Sondern ein extra dafür auf Stand-by sitzender Richter, der kontaktiert wird und entscheidet. Hier hat ATC Offensichtlich, ob der Kürze der Zeit eigenmächtig gehandelt und der Entscheider scheint ganz einfach ein geistiger Kleingärtner gewesen zu sein!

  2. Schade, dass der Grund für das Nachtflugverbot keinerlei Erwähnung fand: Damit Anwohner Schlaf finden.
    Ryanair wusste, dass es das Nachtflugverbot gibt, und dass es äußerst knapp werden würde.Spätestens als die Anflugroute zugewiesen war, hätte den Piloten klar sein müssen, dass es äußerst knapp werden wird. Dass sie es trotzdem versucht haben, war ihre eigene Entscheidung, nicht die der Flugsicherung. Ryanair war bereit, das Risiko einzugehen. Mein Mitglied mit der Fluggesellschaft hält sich also in Grenzen.

    • Mein Mitleid haben im Wesentlichen die Passagiere, die diese Tortur wegen 90 Sekunden mitmachen mussten.

      Und wie es ja zuvor schon kommentiert wurde. Ein Go Around ist deutlich lauter als eine minimal verspätete Landung.

  3. Traurig wie da gehandelt wurde. Nur noch Irrsinn was in Deutschland abgeht. Hauptsache für die Politik wird, wie vor einiger Zeit in Frankfurt, eine Ausnahme gemacht. Wegen 90 Sekunden. Die Passagiere kann man echt nur Bedauern und der Großteil der Bevölkerung kann nur den Kopf schütteln in Anbetracht wie hier reagiert wurde.

    • Nun ja. Wir leben in Klagistan. Mag sein, dass eine Ausnahme sinnvoll gewesen wäre. Diese eine Ausnahme wäre dann freilich ein Präzedenzfall für die nächste Ausnahme, natürlich mit lächerlichen zusätzlichen 10 Sekunden. Das geht dann so weiter.
      Aber noch wichtiger, es finden sich garantiert Bürger – keine unfähigen Politiker – die sich durch die Überschreitung der Zeit belästigt fühlen. Real, oder notfalls findet sich ein Anwalt oder eine Organisation, die dem Bürger klarmacht, dass er unmenschlich belästigt wurde.
      Kompromisse wären schon denkbar und sinnvoll, aber wir alle bestehen auf *unserem Recht*. Gern auch vor Gericht.

  4. Sorry, aber der Schuldige hier ist allein Ryanair. Der Flug hatte schon beim Start rund 100 Minuten Verspätung und Ryanair hätte da schon klar sein müssen, dass sie es eigentlich nicht nach Berlin schaffen können. Zumal alle Flüge zuvor länger gedauert haben als die verfügbare Zeit. Gestartet sind sie trotzdem, weil man den Passagieren ja sonst ein Hotel hätte stellen müssen.

    Zum Nachtflugverbot in Berlin: allein nach 23 Uhr landet dort schon meist nur noch eine planmäßige Maschine, nach 23:30 gibt es keine planmäßigen Landungen mehr. Das ist also allen Beteiligten klar. Ryanair hat trotzdem unbedingt landen wollen, um alle Kosten gering zu halten, nichts anderes.

    Und irgendwann muss eben einfach mal Schluss sein. Sonst denken sich die Airlines halt auch, beim nächsten Mal geht es auch noch länger. Es gibt eine genügend lange Übergangszeit.
    Klar, das war hier vor allem für die Passagiere unangenehm. Aber hat sich mal einer gefragt, wieso man da mitten in der Nacht Busse schickt und wieso das alles so schnell bereitstand? Ich habe das Gefühl, Ryanair hat hier schon mit Plan B geplant und natürlich Busse genommen, da sie sonst Hotels hätten zur Verfügung stellen müssen.

    • Ich will mich da gar nicht zu stark an der Schuldfrage beteiligen. Das ist mir zu deutsch.

      Nur weil alle vorherigen Flüge länger gedauert haben, heißt es nicht, dass ein Flug in der Zeit nicht machbar gewesen wäre. Wenn Du annimmst, dass so eine Boeing immer mit Höchstgeschwindigkeit fliegt, irrst Du. Mit dem Auto fährst Du auf der freigegebenen Autobahn auch nicht kontinuierlich 250km/h. Das ist ökonomisch nicht sinnvoll. Du fährst vielleicht 120. Aber wenn Du Zeitdruck wegen eines Termins hast, fährst Du schneller. Das ist in der Luftfahrt nicht völlig anders.

      Da ich die handelnden Personen bei Ryanair für ziemlich klug halte, stimme ich Deiner These zu. Ryanair fliegt – glaube ich – normalerweise nicht von HAJ und trotzdem konnten sie die benötigte Infrastruktur zur Verfügung stellen. Allein das hat meinen Respekt verdient.

  5. Genau wie bei OMAAT, die über den Vorfall schon etwas früher berichtet haben, wird hier reißerisch über die vermeintlichen wenigen Sekunden über der Zeit berichtet, was die Situation leider unzutreffend wiedergibt.
    Der Regelbetrieb am BER läuft abends bis 23:00.
    Einige wenige slots werden ausnahmsweise für die Zeit zwischen 23:00 und 23:30 an „besonders leise“ Flugzeuge vergeben.
    Nach 23:30 dürfen dann ausnahmsweise nur noch verspätete Flüge landen und um 0:00 Uhr ist dann endgültig Schluss.
    Die Regelbetriebszeit ist zu diesem Zeitpunkt aber schon seit einer Stunde vorbei.
    Der Ryanair Flug war also nicht 90 Sekunden über der Zeit, sondern je nach Betrachtungsweise 30 Minuten und 90 Sekunden bzw. sogar 60 Minuten und 90 Sekunden.
    Dass man in Brandenburg (!) das Nachtflugverbot ernst nimmt, ist ja spätestens seit dem prominenten Fall bekannt, wo eine QR Maschine mit der deutschen Nationalmannschaft kurz vor Mitternacht zur Startbahn rollte, aber nicht mehr abheben durfte, da es dann doch schon kurz nach 0:00 Uhr war.
    Ryanair weiß das alles und hätte diesen Flug so nicht antreten dürfen. FR ist für das Ungemach der Passagiere verantwortlich und niemand sonst.

  6. Ryanair fliegt ja gern knappst zu Lasten der betroffenen Flughäfen und von Konkurrenzairlines. Wie gut, dass das Kerosin für die abgebrochene Landung und den Ausweichflughafen gereicht hat.

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