Fluggesellschaften müssen alkoholische Getränke bei Flugverspätung nicht erstatten

Ebenfalls von Mixologist Mr. Lyan entwickelter Cocktail. Foto: Sebastian

Zählt ein Aperol Spritz als Erfrischung oder nicht? Das beschäftigte zuletzt das Amtsgericht Hannover. Und dort kennt man scheinbar kein Spaß. Nach Auffasung des Gerichts zählen alkoholische Getränke bei Flugverspätungen nicht als erstattungspflichtig.

Die EU-Fluggastrechteverordnung sichert in vielen Fällen von Flugunrgelmäßigkeiten Entschädigungen und Sachleistungen zu. Neben der mittlerweile sehr breit bekannten pauschalen Entschädigung bei Flugverspätungen über drei Stunden, stehen Fluggästen in bestimmten Fällen auch Verpflegung, Hotelunterbringung und Kommunikationsleistungen zu Verfügung. Das Amtsgericht Hannover urteilte nun in dem Gerichtverfahren mit dem Aktenzeichen 513 C 8538/22, dass alkoholische Getränke nicht unter die Fluggastrechtverordnung EU261 fallen.

Fluggesellschaften müssen alkoholische Getränke bei Flugverspätung nicht erstatten | Kein Alkohol

Im konkreten Fall reiste der Kläger von Hannover über London-Hethrow weiter nach Miami und zurück von New York über London nach Hannover. So war es zumindest geplant. Schon auf dem Hinflug von London nach Miami kam es zu einer Flugverspätung von über drei Stunden. Und der Rückflug wurde sogar ganz gestrichen, so dass die Reisenden nicht via London nach Hannover reisen konnten, sondern alternativ über Madrid nach Hamburg befördert wurden. Von Hamburg ging es dann mit der Bahn weiter nach Hannover.

Der Kläger forderte von der ausführenden Airline neben der pauschalen Ausgleichszahlung für die Flugverspätung auch die Erstattung von Verpflegungskosten. Unter anderen für zwei Aperol Spritz in London, die mit insgesamt 15 Pfund (etwa 17 Euro) angesetzt wurden. Das schmeckte dem Amtsgericht Hannover jedoch nicht. Nach Ansicht des Gerichts stünden den Fluggästen „Mahlzeiten und Erfrischungen im angemessenen Verhältnis zu“. Wenn die Fluggesellschaft diese nicht zur Verfügung stelle, können sich die Fluggäsgte auch selbst versorgen. Jedoch nur mit alkoholfreien Getränken. Denn alkoholische Getränke könnten sogar den gegenteiligen Effekt einer Erfrischung haben.

Das Gericht merkte jedoch an, dass ein alkoholfreies Bier sehr wohl als Erfrischung gelten könnte. Jedoch nicht der Aperol Spritz.

Fluggesellschaften müssen alkoholische Getränke bei Flugverspätung nicht erstatten | Frankfurtflyer Kommentar

Wenn es um Alkohol geht, kennt das Amtsgericht Hannover keinen Spaß. Zumindest nicht, wenn diesen jemand im Rahmen einer Flugerverspätung einklagen will.

Nicht alle Gerichte entscheiden gleich. Aber das Urteil in diesem Prozess wird sicher in zukünftigen ähnlich gelagerten Verfahren als Präzedenzfall dienen. Zumindest den Fluggesellschaften, die sich gegenüber zu genussfreudigen Fluggästen verteidigen müssen.

Was haltet Ihr von dem Urteil? Gehört für Euch das alkoholische Getränke bei einer Flugverspätung dazu?

19 Kommentare

  1. In Deutschland werden wirklich über jeden Schwachsinn absolut unnötige Gerichtsprozesse geführt.
    Ohne Rechtschutzversicherung würde wohl niemand auf derartiges klagen.
    Dem kann nur Abhilfe geschaffen werden, wenn die Versicherungen Selbstbehalte für verlorene Gerichtsprozesse einführen werden.

    Kein Wunder, dass deutsche Gerichte überlastet sind.
    Absoluter Schwachsinn das Alles – Deutschland schafft sich einmal mehr einfach nur ab – zum Fremdschämen !

    • Bin nicht der Versicherungsexperte, aber typischerweise hat man doch eine Selbstbeteiligung bei einer Rechtschutzversicherung. Unabhängig davon ob man gewinnt oder verliert. Und typischerweise kickt einen doch die Rechtschutzversicherungen, wenn man sie X-mal in Anspruch nimmt bzw. wenn die Kosten, die Du verursachst, höher sind als die Versicherungsbeiträge.

    • Ich bezweifle um ehrlich zu sein, dass hier eine Rechtsschutzversicherung die Kosten getragen oder vorgestreckt hat. Wenn dann ging sie davon aus, dass sie den Fall gewinnt, sonst hätte man ihn nicht übernommen. Es ist ein sehr weit verbreiteter Irrglaube, dass man mit einer Rechtsschutzversicherung machen kann was man will und alles bezahlt wird. Gerade bei Zivilprozessen wird da auch vieles einfach nicht abgedeckt.

      • Die Rechtschutzversicherung übernimmt in der Regel die Kosten, wenn Aussicht auf Erfolg besteht. Dies prüft jedoch der Rechtsanwalt, den sich der Versicherte für seine Vertretung genommen hat. Du darfst, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, davon ausgehen, dass der Rechtsanwalt bei der Prüfung recht großzügig ist: Sieht er keine Aussicht auf Erfolg, bleibt es bei der Erstberatung. Sieht er Aussicht auf Erfolg, kriegt er Grund- und Verfahrensgebühr. – Entweder vom Versicherer, wenn die Klage verloren wird oder vom Gegner, wenn gewonnen wird.

        Daher hat Sebastian mit der Selbstbeteiligung auch nur teilweise recht: Der Rechtsanwalt wird erst nach der Entscheidung bezahlt. Denn dann steht fest, wer ihn bezahlen muss. Das ist immer der Verlierer. Gewinnt der Versicherungsnehmer, entstehen also weder ihm noch dem Versicherer Kosten. Daher gibt es dann auch keinen Grund für die Selbstbeteiligung.

        • Nein nicht immer zahlt der Verlierer alle Anwaltskosten. Das kann im Urteil auch anders geregelts ein, gerade wenn eine Klage nicht vollumfänglich durchgeht.

          • Für mich heißt anteiliges Unterliegen auch, dass man anteiliger Verlierer ist und mithin anteilig die Kosten trägt. Aber ich räume ein: Das war unpräzise formuliert. Wobei dann auch zur Wahrheit gehört, dass die Kosten (bis auf bei einem Unterliegen bis zehn Prozent), quasi immer nach Unterliegensquote geteilt werden. (Alles natürlich immer auf das normale Zivilverfahren bezogen.)

    • Anscheinend hast Du noch nie ne nennenswerte Verspätung gehabt. Dann würdest Du ganz anders denken und schreiben. Ich prozessiere aktuell gegen eine Airline, die sich weigert mir die nach EU Richtlinie zustehende Entschädigung zu bezahlen nachdem wir 18 Stunden verspätet angekommen sind. Gegen ein derartig widerwärtiges Verhalten muss man gnadenlos zurück schlagen.

  2. Mit Sicherheit war dies kein unnötiger Gerichtsprozess. Der eigentliche Zweck der Klage beinhaltete NEBEN der Erstattung von Verpflegungskosten, Ausgleichs-, Entschädigung- und Schadensersatzansprüchen wegen der Flugverspätung und -annullierung. Lediglich in Höhe der 15 Pfund unterlag der Kläger hier, der Rest ging durch. Steht im Übrigen auch so in diesem Artikel: „Der Kläger forderte von der ausführenden Airline NEBEN der pauschalen Ausgleichszahlung für die Flugverspätung auch die Erstattung von Verpflegungskosten.“ Das Gericht hat jeden angeführten Anspruch zu prüfen, demnach auch die Erstattung von Verpflegungskosten…also völlig normales Prozedere und keinen Aufschrei im Sinne von „Deutschland schafft sich ab“ wert.

  3. Naddi hat Recht, immer schön beim Gesamtbild bleiben!

    LH 2022, „Kapazitäts-Chaos“ Annulierung FRA-STR, Alternative Bahn nicht akzeptiert (muss man nicht), Eigenhändig Motel One gebucht, 2x Taxi, 2 Weizenbier und Snackteller vor Ort, 4 Rechnungen eingereicht mit EU261 Antrag.

    Natürlich ignoriert von unserer großartigen Lufthansa, Klage vor AG Nürtingen eingereicht und sieht da: LH erklärt sich aus „Kundendienstgründen“ bereits alles inkl. 2 Weizenbier zu bezahlen.

    Zukünftig gut zu wissen, dass auf der Rechnung nur „Getränke stehen sollte“ 😉

    • Okay, bin ja auch kein Fan der DB, aber FRA-STR??? Das ist knapp über 1h mit dem Zug und dafür dann künstlich Essenskosten, Taxikosten und Hotelkosten produzieren und DANN noch beschweren, dass LH (zurecht) nicht begeistert war diese unnützen Auslagen zu bezahlen? Sorry, aber auf solchen Ultrakurzstrecken, müsste die Umbuchung auf DB verpflichtend sein. Selbst als SEN recht wenig Verständnis für sowas.

      • Nun ja, aber um mit der Bahn zu fahren; muss man in der Regel an Hauptbahnhöfen ein-, um- oder aussteigen. Nun kenne ich in Stuttgart den Hauptbahnhof nicht (Du fährst vom Flughafen Leinfelden-Echterding zum Flughafen bei Kelsterbach in einer Stunde? Mit all dem Umsteigen?), aber ich würde mir eher die Hand abhacken, als meine Familie durch den Hauptbahnhof Bremen, Dortmund, Hamburg oder Frankfurt zu schleusen. Das ist eine Erfahrung, die man insbesondere jungen Menschen nicht antun sollte.

        • Sehe ich genauso. Zumal man ja auch nicht vergessen darf, dass die VO261 keinen Unterschied drin macht wie lang ein Domestic Flug zu sein hat, um zwingend auf Bahn oder Lastenrad umzusteigen. UND: der Flug war sicherlich ein Anschlussflug nach STR, sicherlich die letzte Maschine um 21 Uhr. Der Sachverhalt riecht auch stark nach einer eher unfreiwilligen Übernachtung wegen sehr später Ankunft. Aber spätestens 2050 wenn der halbstündige Deutschlandtakt – natürlich auch mitten in der Nacht – existiert, dann würd auch ich auf den ICE umsteigen. Bis dahin eher im Flieger, wenn der auch bezahlt wurde.
          Guten Flug euch allen

  4. Und mal wieder werden von einigen hier die Dinge auf den Kopf gestellt und der Betroffene wird zum Buhmann gemacht.

    Richtig ist nämlich:
    Würden die Airlines ihrerseits vollumfänglich den geschlossenen Vertrag erfüllen und den Fluggast pünktlich von A nach B bringen, käme es zu solchen Ansprüchen erst gar nicht.
    Würden sie, wenn dann doch mal was passiert, ihren rechtlichen Pflichten nachkommen und dann zügig Ausgleichszahlungen leisten sowie unaufgefordert Verpflegung etc. bereitstellen, käme es auch nicht zu solchen Gerichtsverfahren.

    Nicht der Kläger ist hier der „Böse“, sondern die Beklagte.

    • Keine Sorge. Die Datenkrake Google liefert jede Menge Airlines die erst dann die festgelegten Entschädigungen bezahlen wenn Ihnen das Messer auf die Brust gesetzt wird. Ich habe noch keinen Fall erlebt wo mir die Airline die mir zustehenden Rechte in Schriftform ausgehändigt hat. bei Iberia zum Beispiel liegen diese Schreiben in der hintersten Ecke beim Serviceschalter, damit sie bloß keiner so schnell findet. Und zahlen tun sie natürlich auch nicht.

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