Der Sommer 2019 war ein absolutes Rekordjahr in der Luftfahrtbranche. Airlines, Flughäfen, Reiseveranstalter und alle die damit zu tun hatten, haben profitiert. Lufthansa hat Personal eingestellt, den Flugplan erweitert und sogar die Ausflottung mancher Jets verschoben. Schon in den Jahren zuvor hat man im Konzern zusätzliche Kapazitäten bei anderen Airlines wie Czech, Sunexpress oder aiBaltic eingekauft um die Nachfrage zu stemmen.
Mit der Pandemie wurden dann sämtliche Wetlease-Verträge, also die Bereitstellung von Fluggerät und Durchführung mit Fremdpersonal, eingefroren bzw. aufgekündigt. Corona hat den Luftverkehr schnell zum Erliegen gebracht, plötzlich hatten alle Gesellschaften selbst zu viele Flugzeuge samt Angestellte und damit hohe Kosten bei fehlenden Einnahmen.
Inzwischen hat sich das Geschäft teilweise gut erholt, einige Airlines mussten schmerzlich feststellen dass sie sich zu schnell von überschüssig geglaubtem Personal getrennt haben. Flüge mussten im großen Stil gestrichen werden, entlassene Mitarbeiter wurden kontaktiert und gebeten zurückzukommen. Bei Lufthansa wurden u.a. Abfindungen in mehreren Bereichen ausgeschrieben aber auch Kündigungen ausgesprochen. Mehrere Tausend Arbeitnehmer haben oder mussten den Kranich verlassen.
Zugegebenermaßen waren und sind Planungen in dem Business schon immer besonders anspruchsvoll und gelingen nur selten auf langfristige Sicht. Aktuell plant man kurzfristiger denn je, man hangelt sich mehr oder weniger von Monat zu Monat. Flugpläne die ein halbes Jahr gelten unterliegen starken Schwankungen und müssen mehrfach angepasst werden.
Auch bei der Lufthansa-Flotte hat sich vieles getan, die Airbus A380 Superjumbos und die durstigen A340-600 wurden schnell in die Wüste geschickt, letzterer wurde inzwischen wieder reaktiviert. Einige Flugzeugbestellungen von anderen Airlines, die vor Beginn der Krise getätigt wurden, können von den ursprünglichen Abnehmern nicht mehr finanziert werden. Wirtschaftlich stabilere Gesellschaften wie Turkish und Lufthansa haben die Gelegenheit genutzt und diese kurzfristig verfügbaren Jets übernommen.
Lufthansa hat sich darüberhinaus sogar für ein Leasing entschieden und will insgesamt vier Airbus A350-900 von Philippine Airlines einflotten. Zunächst wurden zwei Maschinen neu lackiert, in der Kabine etwas modifiziert und mit einer Verzögerung in den Dienst gestellt. Das Resultat bietet vor allem den Gästen der Business Class einen spürbar höheren Komfort. Ähnlich wird es sich mit den kurzfristig übernommenen Boeing 787 Dreamliner verhalten, die ersten Exemplare wurden von anderen Gesellschaften bestellt und bereits mit deren Wünschen konfiguriert.
Nachdem sich zwei der Philippine-A350 schon im aktiven LH-Liniendienst befinden, scheint es Probleme bei der Einflottung der beiden verbleibenden Flugzeuge zu geben. Die vier Airbus sollten eigentlich das komplette Kanada-Programm vom Münchener Drehkreuz stemmen, das abweichende Kabinenprodukt sollte auf den Routen nach Montréal, Toronto und Vancouver durchgehend angeboten werden.
Man könnte die Verzögerung der verbleibenden ehemaligen Philippine-Maschinen mit Airbus A350 aus dem eigenen Flottenpool ausbügeln, doch diese sind offensichtlich bereits für den Sommer komplett eingeplant. Ein Wetleasing scheint hier für Lufthansa die beste Lösung für das Problem zu sein, einen geeigneten Partner hat man scheinbar auch schon gefunden. Nicht alle Airlines befinden sich derzeit im Aufwind, im Gegenteil. Die oneworld-Gesellschaft Finnair hatte es schon zu Covid-Zeiten besonders hart getroffen, deren Langstrecken-Kerngeschäft sind sämtliche Ziele in Asien, die meisten waren von den strikten Restriktionen betroffen.
Spätestens seit dem Ukraine-Krieg und der Sperrung des Luftraums über Russland gibt es für Finnair keine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit mehr die vielen Destinationen in Japan, China und Zentralasien mehr zu bedienen. Die Folge sind Überkapazitäten bei der Langstreckenflotte, zahlreiche Jets wurden geparkt, Personal in unbezahlten Urlaub geschickt.
Die Folgen sind schwerwiegend, fehlende Umsteigepassagiere verhageln auch das Europa-Geschäft. Partner British hat bereits Flugzeuge vom Allianzpartner gemietet, auch Eurowings Discover hat Verträge geschlossen und ein Wetleasing für den Sommer vereinbart.
Auf genau diese bereits ausgehandelten Verträge scheint man nun bei Lufthansa zuzugreifen, was uns bei einem ungewöhnlichen Konstrukt aufgefallen ist
So wird eine der besagten Kanada-Strecken von München nach Montréal in Kürze wohl aufgrund von Kapazitätsengpässen nicht nur an die neue Tochter Eurowings Discover abgegeben, sondern auch vom Wetlease-Partner Finnair übernommen.
Somit werden also bald Passagiere die bei Lufthansa gebucht haben, auf Eurowings Discover umgebucht und in einem Flugzeug von Finnair fliegen. Die Seatmap wurde auch schon entsprechend angepasst:
Lufthansa buchen, Eurowings Discover Flug bekommen, in einem Finnair Flugzeug sitzen | Frankfurtflyer Kommentar
Flexibilität ist in der Fliegerei wichtiger denn je, das gilt allerdings nicht nur für die Airlines sondern auch für deren Kunden. Mag sein dass einige Vielflieger schon vorm Abflug Bescheid wissen oder den „operated by“ Hinweis auf der Bordkarte wahrgenommen haben. Überraschungen und lange Gesichter gibt es aber bei solchen Geschichten immer wieder.
Dass Konzerntochter Air Dolomiti ausser nach Italien auch mal nach Graz oder Bukarest einspringt ist schon nichts Ungewöhnliches mehr. Aber auch airBaltic stopft wieder fleissig entstandene Lücken und fliegt für die Groupairlines Routen wie Düsseldorf-Heathrow oder München-Las Palmas.
Mit Finnair werden Lufthansa-Passagiere insbesondere in der Business Class ein Upgrade verspüren, da deren Bestuhlung in einer 1-2-1 Anordnung wesentlich großzügiger ist und jedem Gast direkten Gangzugang ermöglicht. Das Produkt ist also dem der Philippine-Hardware vergleichbar. Eindrücke und Kommentare zu den Erfahrungen bei Finnair findet Ihr in einer Review von Sebastian:
Review: Finnair Business Class Airbus A350 Hongkong nach Helsinki
Ich wünschte LH würde bei den Aeroflot A350 zuschlagen und die Suiten in C drin lassen – die Businessaufwertung wäre phänomenal.
Die schon gebauten A350 wird LH wohl nicht mehr bekommen, die gehen an Turkish Airlines.
Aber doch nur 6 von 15. oder waren bisher nur 6 fertig gestellt?
Fertig sind wohl sogar nur 3 und 7 in Produktion, was aber nicht bedeutet, dass da schon eine Kabine drin ist.
Die Flieger die TK bekommt sind aber sogar schon lackiert gewesen.
Finnair: die einzige Möglichkeit bei lufthansa zu buchen und ein gutes sitzprodukt zu bekommen.
Wie verhält es sich denn in so einem Fall mit der Meilengutschrift bei *A -Partnern, hier gilt doch operated by. Bekommt man dann bei diesen Flügen wirklich keine Meilen gutgeschrieben oder kann man ORC beantragen?
Bei Wetlease ist Lufthansa weiterhin Operating Airline. Finnair, Air Baltic usw. Flügen diese Strecken ja nicht unter eigener Flugnummer. Also dieselben Meilen als wäre auf der Heckflosse einen Kranich.
Nicht nur nach Kanada fliegt Finnair für 4Y. Soeben ist München – Las Vegas gestartet
mit Finnair A350 als 4Y (Eurowings Discover).