US-Luftfahrtbehörde: Vernichtendes Urteil zu den Qualitätsstandards bei Boeing

Die FAA stuft Boeing-Qualitätsstandards als unzureichend ein. Archivfoto: Boeing

Die Federal Aviation Administration (FAA), die Luftfahrtbehörde der USA, untersucht nach einem Vorfall die Produktionsprozesse beim Flugzeugbauer Boeing. Das Urteil ist vernichtend. Erhebliche Teile der Produktion entsprechen nicht den Standards der FAA.

Was war der Hintergrund, der Boeing in den Fokus der FAA rückte? Am 5. Januar 2024 ereignete sich ein dramatischer Zwischenfall mit einer Boeing 737 MAX 9 von Alaska Airlines. Kurz nach dem Start des Fluges AS1282 von Portland nach Ontario löste sich die Verkleidung einer Flugzeugtür und stürzte zu Boden. Die Maschine war zu diesem Zeitpunkt bereits auf rund 4.000 Metern Höhe und musste umgehend nach Portland zurückkehren. Wie durch ein Wunder wurde bei diesem Vorfall niemand ernsthaft verletzt.

Da der US-Luftfahrtbehörde Wunder nicht ausreichen, wurde eine umfangreiche Untersuchung der Produktionsprozesse bei Boeing angekündigt. Wie die New York Times berichtet, wurden bisher 89 Einzel-Audits von der FAA durchgeführt. Das Ergebnis ist alarmierend. Bei mehr als einem Drittel aller geprüften Prozesse ist der Flugzeughersteller aus Arlington, Virginia durchgefallen. So wurden unter anderem die benötigten Kenntnisse für einzelne Fertigungsschritte gar nicht erst identifiziert.

Es gibt auch erhebliche Mängel bei Zulieferern. Bei Spirit AeroSystems, die den Flugzeugrumpf für Boeing produzieren, soll es erhebliche Mängel geben. Laut dem Bericht der NYT fiel Spirit bei sieben von 13 Audits durch.

US-Luftfahrtbehörde: Vernichtendes Urteil zu den Qualitätsstandards bei Boeing | Ursache für Vorfall bei Alaska Airlines

Die US-Luftfahrtbehörde (FAA) und die NTSB (National Transportation Safety Board) gehen mittlerweile davon aus, dass der Vorfall bei Flug AS1282 aufgrund eines Fehlers bei der Endmontage passiert ist. Das Flugzeug mit der Registrierung N704AL hatte eine Konfiguration, bei der die linke mittlere Notausgangstür durch eine Verankerung permanent mit dem Flugzeug verbunden ist. Dieser Stecker wiederum wird durch vier Bolzen gesichert, die verhindern sollen, dass sich diese Verankerung lösen kann. Dies ist notwendig, da die Konstruktion, in der die Tür verankert ist, aufgrund der Luftdruckunterschiede, die durch den Kabinendruck entstehen, „arbeitet“ und sich bewegt. Bei der Unglücksmaschine fehlten diese vier Bolzen, was auch aus der Fertigungsdokumentation des Flugzeugs hervorgeht. Geliefert wird der Teil des Flugzeugs von Spirit AeroSystems.

Das US-Justizministerium hat mittlerweile ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.

US-Luftfahrtbehörde: Vernichtendes Urteil zu den Qualitätsstandards bei Boeing | Frankfurtflyer Kommentar

Setzt man sich mit den Ereignissen rund um Boeing in den vergangenen Jahren auseinander, stellt sich schnell die Frage, was in dem Unternehmen vor sich geht. Die Auftragsbücher sind voll, doch der Flugzeugbauer kommt mit den Lieferungen nicht hinterher. Führt das dazu, dass im Sinne einer schnellen Produktion die Sicherheit und Qualität in den Hintergrund geraten? Nach den aktuellen Untersuchungsergebnissen fällt es immer schwerer, einen anderen Blick auf die Ereignisse in Arlington und den Flugzeugfabriken zu werfen.

Warum renommierte Fluggesellschaften immer noch auf Boeing setzen, dürfte klar sein: Sich ausschließlich in die Hand von Airbus zu begeben, verschlechtert die Verhandlungsposition und erhöht die Preise. Dahinter steckt in den meisten Fällen also eine knallharte Kalkulation. Der Risikofaktor Sicherheit wird in dieser Kalkulation jedoch immer größer.

Boeing-Whistleblower begeht Selbstmord

 

Dank an aero.de  für den Hinweis

1 Kommentar

  1. Werte Frankfurtflyer: Mein erster Absatz soll keine Nörgelei darstellen, der zweite eh nicht:
    1: Obiger Text „die linke mittlere Notausgangstür durch eine Verankerung permanent mit dem Flugzeug verbunden ist. Dieser Stecker wiederum wird durch vier Bolzen gesichert, die verhindern sollen, dass sich diese Verankerung lösen kann. Dies ist notwendig, da die Konstruktion, in der die Tür verankert ist, aufgrund der Luftdruckunterschiede, die durch den Kabinendruck entstehen, „arbeitet“ und sich bewegt“.
    Ich denke, da hat KI aber noch viel zu lernen:
    Die Tür, die ein Stecker sein soll, war doch nur ein Blinddeckel oder eben Paneel.
    Der „Stecker“ wurde durch 4 Bolzen gesichert?
    Irgendwie könnten Hobby-Airliner da ganz schön verwirrt werden, nicht wahr?

    Zu 2: Die Qualitätsstandards bei Boeing:
    M.E. steckt da
    a) sehr viel Umgang mit Menschen und
    b) Kaufmännisches Verhalten der Firma mit drin.

    a) Den Umgang mit Mitarbeitern in den USA kann ich durch 2 Beispiele erläutern:
    Als ich zum ersten Mal bei Boeing war (so kurz vor 1980 rum) hatten sie gerade
    ca. 30 000 Leute „fired“. Ich sah riesige Mobile-Home-Parks. Leer.
    Ein Instructor wirkte eher lustlos. Auf Nachfrage erzählte er, dass er entlassen wurde und jetzt NUR für diesen Lehrgang wieder „hired“ wurde.
    Eine junge Lady erzählte, der Chef wollte was über die krankgeschriebene Kollegin wissen: Sie weigerte sich und er hat dann eben beide entlassen.
    Hire and fire eben.
    Später hat mir Boeing erzählt, sie würden in der Produktion lieber fachfremde Menschen einstellen (z.B. Bäcker, Metzger), da diese eher kommentarlos den Tasks folgen würden und so nicht mit unbequemen Fragen den Betrieb aufhalten würden……. .
    Ob dies heute anderes ist?
    b) Ist schon klar, dass ein Betrieb auf Dauer nicht von Verlusten leben kann, sondern auch Geld verdienen muss.
    Wenn aber über die Grenze hinaus Kosten reduziert werden, so kommt man eben an den Punkt „no have, no can do“, d.h. es kracht.
    Wenn dies dann Menschenleben „kostet“ so ist endgültig Schluss mit Lustig.
    M.E. wird Boeing nicht pleite gehen, da steckt zu viel Militär drin.
    Möge alles gut werden.

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